STICHWAHLEN IN BAYERN: STOIBER ALS NEGATIVFAKTOR: Der Rückenwind blieb aus
Edmund Stoibers Stichwahleinsatz war vertane Liebesmüh. Überall, wo der ehrgeizige CSU-Kanzlerkandidat sich persönlich engagierte, verloren seine Schützlinge die Oberbürgermeister- und Landratswahlen.
Nach dem Debakel in der Landeshauptstadt vor zwei Wochen folgten bei den Stichwahlen acht bittere Niederlagen. SPD und parteifreie Wählergruppen lösten die bayerische Regierungspartei am Sonntag nicht nur in Nürnberg und Augsburg ab, sondern überraschend auch in sechs Landkreisen. Die CSU gewann keine einzige Landratswahl.
Stichwahlen sind für die Christsozialen traditionell schwierig. Kommt ein CSU-Kandidat nicht schon im ersten Wahlgang auf über 50 Prozent, gilt er besonders auf dem Land als so angeschlagen, dass die eigene Klientel für die zweite Runde demotiviert ist. Diesen Trend konnte die CSU nur in Passau als einzige große Kommune umdrehen.
Stoiber kann es nur recht sein, wenn die CSU nicht übermütig wird. Denn nur wenn sie alles mobilisiert, hat er bei der Bundestagswahl eine Chance. Dagegen spricht: Vor vier Jahren landete die erfolgsgewohnte Partei in Bayern bei nur gut 47 Prozent, weit entfernt von den angepeilten 50 plus x. Doch auch unter Theo Waigels Nachfolger an der Parteispitze ist allen Mitgliedern klar: Die legendären Zeiten von Franz Josef Strauß, in denen bei Kommunalwahlen noch 50 Prozent ihr Kreuz bei der Partei machten, wird der neue Übervater nicht wiederbringen.
Nun überklebt die Basis mancherorts etwas desillusioniert die Kommunalwahlplakate mit dem CSU-Bundesslogan „Anpacken für den Aufschwung“. Depression auch bei der SPD. Sie kam vor zwei Wochen nur auf halb so viele Stimmen wie die Staatspartei. Sie kann damit nur wenig neue Motivation für die kommende Bundestagswahl im Herbst mobilisieren. Einziger Trost für die Sozis: Das Vertrauen in Rot-Grün ist in den drei größten bayerischen Städten gewachsen – nach München werden wahrscheinlich auch Augsburg und Nürnberg von einem Regenbogenbündnis regiert.
Die Stichwahlen sind reine Persönlichkeitswahlen. Das war eines der gängigen Stereotype vor dem Wahlgang. Insgeheim wurden die Kommunalwahlen aber natürlich als Stimmungstest auch für den Bund gesehen. Nur gut, dass die Parteien immer den Kommunalcharakter so behauptet haben. Denn so muss die CSU nun ihre Niederlagen nicht persönlich nehmen. Und die SPD weiß, dass sie auch in München, Nürnberg und Augsburg die Bundestagswahl noch nicht gewonnen hat.
OLIVER HINZ
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