piwik no script img

SPDDas Glaubwürdigkeitsproblem

Die Sozialdemokraten lamentieren über ihre Niederlage bei der Bundestagswahl, zweifeln aber kaum am Parteiprogramm oder dem eigenen Führungspersonal.

"Das Konzept der Neuen Mitte ist gescheitert": Carsten Sieling, SPD-Bundestagsabgeordneter Bild: Jan Zier

Am Ende siegt die innerparteiliche Geschlossenheit. Nur drei der fast 150 Delegierten der Bremer SPD werden sich am Ende eines langen Landesparteitages nicht hinter ihren Vorstand stellen. Die Personaldebatten bleiben aus, nicht einmal ein Antrag, künftige Landeschefs sollten nicht auch im Bundestag sitzen, wird abgestimmt. Sondern an die Ausschüsse verwiesen. Er wäre wohl abgelehnt worden. Nein, keine Kritik am Parteichef im Bundestag, Uwe Beckmeyer.

Dabei wird in der Analyse des Ergebnisses der Bundestagswahl nicht an großen Worten gespart. Der frühere Landesvorsitzende Horst Isola spricht von der "größten Niederlage seit 1893", der neu gewählte Fraktionschef Björn Tschöpe nennt sie "krachend", spricht von einer "Zäsur". Sein Vorgänger Carsten Sieling, der jetzt im Bundestag sitzt, sieht die gesamte Idee der "Neuen Mitte" als "gescheitert" an. Nur der Unterbezirksvorsitzende Angelo Caragiuli will lieber nur von einem "Denkzettel" reden.

Die Wahlniederlage - 23,0 Prozent der Stimmen im Bund, 30,3 auf Landesebene - habe die SPD "in eine Krise gestürzt", heißt es in dem Leitantrag, nun stehe sie als "Volkspartei auf dem Prüfstand". Doch während die ehemalige Europaabgeordnete Karin Jöns ihrer Partei bescheinigt, in einem "katastrophalen" Zustand zu sein, können andere GenossInnen mit dieser Beschreibung nichts anfangen. Sieling warnt sein Partei gar davor, jetzt Strukturdebatten zu eröffnen.

Und inhaltlich? Will man "keine schnelle Lösungen" benennen. Am Ende reduziert sich vieles auf ein "Glaubwürdigkeitsproblem" - ein Wort, das an diesem Abend immer wieder die Runde macht. Volker Kröning, der bis vor kurzem für die Bremer SPD im Bundestag saß, findet, dass man, nun, nicht alles, aber doch das meiste richtig gemacht habe - und es vielmehr darauf ankäme, es den Bürgern "leibhaftig zu erklären". Auch Tschöpe spricht von einer "gesunden, guten Programmatik". Der Leitantrag nennt die Agenda 2010 eine "politische Fehlorientierung" und lobt zugleich den "konsequenten Einsatz für Mindestlöhne".

Konsequent? Die SPD habe sie nicht mit denen beschlossen, mit denen sie dies hätte tun können, sagt Isola - der Linkspartei. Und statt kurz vor der Wahl auf eine Koalition mit den Liberalen gesetzt. Die keine Mindestlöhne wollen. Der SPD, sagt Isola, gelinge es nicht, "Wollen und Handeln in Deckung zu bringen". Er attestiert seiner Partei, "keine Grundüberzeugungen zu haben". Schließlich werden die Delegierten einen Antrag beschließen, der die SPD "erneuern" soll, auch in Bremen. Darin geht es um einen "Tag des Ortsvereins", das Auftreten im Internet, ein Neumitgliederprogramm, die "Öffnung nach außen".

Für Sieling kommt es jetzt vor allem darauf an, dass Bremen für die SPD "gehalten" wird, zumal man doch, wie die Jusos versichern, ein "linker Landesverband" sei. Einer, dessen Bürgermeister Henning Scherf die Agenda 2010 einst verteidigt hat. Mit Rot-Grün jedenfalls sind hier alle zufrieden, Tschöpe nutzt seine Antrittsrede vor allem, um gegen die CDU Thomas Röwekamps zu Felde zu ziehen. Und um seiner Partei zu sagen, dass nicht alles, was sie beschließt, auch umgesetzt wird. Wegen "Sachzwängen".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • OB
    ole berger

    ... mich erstaunt und erschreckt ja vor allem das personelle weiter so: wo sind die jungen, die aktiv alten, die quereinsteiger, wo sind die kreativen, die mit ideen und entwicklungskompetenz - bremen hat viele solche leute, nicht nur in der "kreativwirtschaft", auch in der kultur, in den verwaltungen, vor allem in den zig ausgegründeten und zu schattenhaushalten verkommenen gmbhs, weil sie sich da mal was erhofft haben. aber spd macht weiter mit sieling, beckmeier, böhrnsen - haltungs- und ideenlos, profil- und letztlich konzeptlos. was sichtbar wird in der stadt, was das leben prägt, die leute interessiert oder wenigstens aufregt, kommt von den grünen. weil die spd immer noch an ihre bremer unabwählbarkeit und damit gefühlte unfehlbarkeit glaubt? wenn die sich mal nicht täuschen. nichts täte bremen wohler als 2011 schwarz-grün mit fücks, trüpel, beck, möhle einer- und schrörs, lüllmann, eckhoff andererseits; mit dem eseligen witzbold röwekamp natürlich im wortsinne unDENKbar.

  • TF
    Thomas Fenkl

    GLaubwürdigkeit beginnt mit Ehrlichkeit

     

    Auch die Bremer SPD unterscheidet sich in ihrer Lern- und Beratung- und Erkenntnisresistenz kaum von der Bundespartei:

    Anstatt zu bilanzieren und einen Schnitt zu machen wird das unverzagte Halali zum Weiter-So geblasen.

    Gerade hier verpasst die SPD erneut eine historische Chance zu einer "Neuen Ehrlichkeit" und der Möglichkeit, wenigstens ein ehrliches Profil zu schärfen.

    "Jawohl liebe BremerInnen, wir haben es geschafft, Bremen in 20 Jahren komplett zu ruinieren, wir haben mit Ihren Steuergeldern planlos und selbstherrlich um uns geschmissen und nichts bewirkt. Wir haben hoch gepokert - und verloren, wir bitten die leidtragenden künftigen Generationen um Verzeihung und wir wollen alles Menschenmögliche tun, den Mist wieder gutzumachen, den wir angerichtet haben. Anstatt mutig voranzugehen und Mehrheiten links von der Union zu realisieren, bauten wir die CDU im Bund auf, machten Merkel auf Jahre unabwählbar, wir rannten vor linken Mehrheiten in den Ländern davon und verhalfen der Union zur Übernahme der Regierungsverantwortung, wie auch jetzt gerade erneut in Thüringen zu sehen... Und all das, weil wir lieber in große Koalitionen gehen (und damit immensen Schaden anrichten), anstatt mutige linke Konzepte zu entwickeln, zu realisieren und den Menschen wenigstens eine Vision einer zukunftsfähigen Politik aufzuzeigen".

     

    Politik sollte mehr können, als Gelder verschwenden... sie sollte Initiatorin nachhaltigen gesellschaftlichen Dialogs sein und soziale Ressourcen aktivieren. Ein Dialog erfordert mindestens jedoch die Bereitschaft zuzuhören und die Beteiligten ernst zu nehmen. Diesen Eindruck vermittelt die SPD weder im Bund, noch in Bremen und gesellschaftliche Ressourcen können nicht aktiviert werden, wenn die keine Wertschätzung der handelnden Menschen und Institutionen erfolgt, wenn Kritik nicht als kostenlose Organisationsberatung, sondern als Majestätsbeleidigung verstanden wird.

    Weiter so liebe SPD und Ihr werdet auch in Bremen erleben, dass niemand mehr weiss, warum er/sie überhaupt SPD wählen sollte (Früher hatte Mensch vielleicht noch SPD gewählt um eine CDU-Regierung zu verhindern).

    Das gleiche gilt übrigens auch in weiten Teilen für die Grünen: Wer, wie in Hamburg, eine Ehe mit Ole van Beust eingeht, der sich nicht zu schade war, vorher mit einem Schill an die Macht zu gelangen, sollte sich in eine Ecke begeben und tüchtig schämen gehen. Von den Bremer Grünen hätte ich zumindest erwartet, dass sie den BremerInnen erklärt, wo all die versiebten Space Park Millionen eigentlich geblieben sind. Wer hat die Knete eigentlich eingesackt?

     

    Um glaubwürdig sein zu können, muss die Politik ja zumindest etwas vorzeigen an das wenigstens theoretisch geglaubt werden könnte. Da hat die SPD seit Jahren ein massives Problem und sie schafft es immer noch so zu tun, als hätte sie nichts damit zu tun...