SPD vor der Wahl in Hamburg: Zwischen den Trends
Jahrelang litt die Hamburger SPD unter dem Bundes-Trend und den G20-Nachwirkungen. Jetzt könnte der Thüringen-Eklat sie wieder nach oben spülen.
Zur Behauptung gegen den Trend gehört es auch, dass die Hamburger SPD im Wahlkampf mit Bundesprominenz geizt. Kein Borjans, keine Esken, kein Scholz werden eingeflogen um die Elb-Sozis in ihrem Wahlkampf zu unterstützen. Nur Familienministerin Franziska Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil kamen vorbei. Beide werden nach Ansicht der Hamburger Sozialdemokraten wohl nicht so direkt mit der SPD-Krise in Verbindung gebracht.
Tatsächlich sieht es nach neuesten Umfragen so aus, als könne die SPD in Hamburg bei ihrem Kampf gegen den Bundes-Trend mit einem blauen Auge davonkommen und in ihrer Hochburg erneut mit Abstand stärkste Partei werden. Mehr als alle Mitbewerber profitiert sie von dem Thüringen-Desaster von FDP und CDU.
Dümpelte die Sozialdemokraten in den Umfragen um die Jahreswende noch bei 30 Prozent herum, schnellte sie bei den jüngsten Wahlprognosen von ARD und ZDF auf 37 bis 38 Prozent empor. Und ließ die Grünen, die sich bis vor kurzem in den Prognosen noch auf gleicher Höhe lagen, um 12 bis 15 Prozentpunkte hinter sich. Zum Vergleich: Bei der letzten Bürgerschaftswahl 2015 ging die SPD mit 45,6 Prozent über die Ziellinie, die Grünen landeten mit 12,3 Prozent nur auf Platz drei.
G20 ging aufs SPD-Konto
Doch dass die Weichen für den Abschwung der Hamburger SPD in den vergangenen Jahren nur in Berlin, kaum aber in Hamburg gestellt wurden, ist nicht ganz richtig. Der Niedergang der SPD wurde 2017, dem Jahr des Hambuger G20-Gipfels, zum rasanten Absturz. Dass SPD-Bürgermeister Olaf Scholz den Gipfel nach Hamburg geholt hatte, die Polizei dann aber über Tage den Krawallen nicht Herr wurde, buchten die HamburgerInnen eindeutig aufs SPD-Konto.
Lagen die Sozialdemokraten bei der letzten Umfrage vor dem Gipfel noch bei fetten 48 Prozent, stürzten sie in der ersten Prognose danach auf magere 28 Prozent ab – das blieb auch das Niveau, in dem sie sich dann bis vor dem Thüringen-Eklat bewegten. Niemals zuvor und niemals danach gab es eine annähernd große Veränderung zwischen zwei aufeinander folgenden Wahlbefragungen.
Der Gipfel bedeutete das Ende des Slogans, mit dem Scholz seine erste Bürgermeisterwahl gewonnen hatte – Hamburg werde von der SPD einfach „gut regiert“. Tatsächlich führte die SPD die Stadt vor dem Gipfel geräuschlos und skandalfrei durch flache und tiefe Gewässer – nicht mehr und nicht weniger, als viele WählerInnen von ihr erwarteten. Die Tage des Gipfels aber gerieten für die SPD zur Zäsur.
Auch die Beliebtheitswerte für Olaf Scholz gingen nach dem Gipfel rapide in den Keller. Als Scholz im März 2018 Hamburg den Rücken kehrte und durch den bis dahin vielen HanburgerInnen unbekannten Peter Tschentscher ersetzt wurde, brachen die Werte für die SPD nicht weiter ein. Inzwischen ist auch Tschentscher den HamburgerInnen bekannt und bei ihnen beliebt, deutlich beliebter als seine grüne Konkurrentin ums BürgermeisterInnenamt, Katharina Fegebank.
Rückenwind aus dem Osten
Das liegt vermutlich auch daran, das Tschentscher viel grüner ist als sein Vorgänger Olaf Scholz, den Umwelt-Themen nicht besonders interessierten. Tschentscher aber kann glaubhaft machen, dass er auf Öko-Kurs ist. Gemeinsam mit den Grünen legte er kurz vor der Wahl einen Klimaplan für Hamburg vor.
Außerdem präsentierte er zusammen mit der Verkehrsbehörde ein Konzept für eine Autoarme Hamburger City. Das Konzept wirkt allerdings reichlich von den Grünen abgeschrieben. Doch zur Befriedung des eigenen Klientels reicht es, dass Tschentscher sich offen für den Kampf gegen den Klimawandel zeigt, auch wenn die Grünen in der Praxis die sind, die wirklich Druck machen.
Das Beben nach dem Thüringen-Eklat könnte nun die vorangegangene Misere der SPD ganz verdecken. Während die CDU mit 13 bis 14 Prozent ihr schwächstes Wahlergebnis verbuchen und die FDP gar aus dem Parlament gekegelt werden könnte, dürften auf der SPD-Wahlparty die Hände in die Höhe schnellen. Jahrelang hat man gegen Gegenwind aus dem Bund ankämpfen müssen, nun könnte Rückenwind aus dem Osten die SPD aufs Siegerpodest heben.
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