SPD und Union streiten um Doppelpass: Keine Kompromisse
In der Innen-Arbeitsgruppe verhärten sich die Positionen zur doppelten Staatsbürgerschaft. Gut möglich, dass die Parteichefs selbst entscheiden müssen.
BERLIN dpa | Union und SPD stehen sich in den Koalitionsverhandlungen über die doppelte Staatsbürgerschaft unversöhnlich gegenüber. Der Unions-Verhandlungsführer, der amtierende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), bot den Sozialdemokraten am Donnerstag als Kompromiss an, die bisherigen Fristen beim „Optionsmodell“ zu verlängern.
Der SPD geht das nicht weit genug. Deren Verhandlungsführer, Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, lehnte das Angebot ab: „Das wäre die Verlängerung eines schlechten Zustandes. Darauf können wir uns auf gar keinen Fall einlassen.“ Möglicherweise muss die große Verhandlungsrunde oder die Runde der Parteichefs über das Streitthema entscheiden.
Die zuständige Innen-Arbeitsgruppe und die untergeordnete Runde zu Migration und Integration berieten am Donnerstag in gemeinsamer Sitzung über das Thema doppelte Staatsbürgerschaft. Vertreter von Union und SPD sagten vorab, sie erwarteten sehr harte Verhandlungen.
Bislang gesteht Deutschland nur EU-Bürgern und Schweizern direkt zwei Pässe zu. Allerdings können auch Bürger vieler anderer Länder neben ihren ursprünglichen Papieren ohne größere Umstände einen deutschen Pass bekommen. Denn einige Länder entlassen ihre Bürger prinzipiell nicht aus der Staatsangehörigkeit - zum Beispiel Staaten in Lateinamerika, Nordafrika oder Nahost.
Besonders umstritten ist das „Optionsmodell“, das im Jahr 2000 eingeführt wurde: Wer in Deutschland geboren ist und ausländische Eltern hat, bekommt zwar die deutsche Staatsangehörigkeit, muss sich aber bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres zwischen dem deutschen Pass und dem seiner Eltern entscheiden. Betroffen sind vor allem viele junge Menschen mit türkischen Wurzeln.
Ein verheerendes Signal
Aus Verhandlungskreisen hieß es, die Union wäre bereit, die Frist beispielsweise bis zum 30. Lebensjahr zu verlängern. Den Sozialdemokraten reicht das aber nicht: Sie wollen das „Optionsmodell“ ganz abschaffen und doppelte Staatsbürgerschaften grundsätzlich zulassen. Die SPD-Unterhändlerin für die Themen Migration und Integration, Parteivize Aydan Özoguz, rief dazu auf, die Fehler aus dem Jahr 2000 zu korrigieren und das „verheerende Signal“ abzustellen, das das „Optionsmodell“ bislang aussende.
Auch Oppermann appellierte an die Union, sich zu bewegen. Die bisherige Regelung passe nicht mehr in die heutige Zeit. Deutschland sei eine Einwanderungsgesellschaft. „Wir brauchen diese Menschen“, mahnte er. Die SPD werde ihre Ziele, also die Abschaffung des „Optionsmodells“ und erleichterte Einbürgerungen, „auf keinen Fall preisgeben“.
Doppelstaater als Fehlentwicklung
Friedrich wies die SPD-Forderungen zurück: „Wir lehnen das ab.“ Das „Optionsmodell“ habe sich bewährt. Beim Thema Staatsbürgerschaft gehe es auch um Loyalität und die Identität eines Landes. „Wir wollen nicht, dass es Mehrstaatigkeit gibt.“ Dass es bereits eine zunehmende Zahl an Doppelstaatern gebe, bezeichnete Friedrich als Fehlentwicklung. Bei EU-Bürgern etwa sei dies nicht zu verhindern. „Aber da, wo wir es vermeiden können, sollten wir es tun.“
Der Ressortchef betonte, er sehe nicht, wo sich Union und SPD über sein Kompromissangebot hinaus einig werden könnten. „Notfalls muss das dann in der großen Runde entschieden werden.“ Nach bisheriger Planung wird diese große Runde in der kommenden Woche am 13. November über die Themen der Innen-Arbeitsgruppe beraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts