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SPD nach der Berlin-WahlMit Autobahnprojekt auf Partnersuche

Klaus Wowereit hat die Berlin-Wahl gewonnen und kann sich aussuchen, ob er mit den Grünen oder der CDU koaliert. Doch eine Traumehe wird es in keinem Fall.

Alter und neuer Bürgermeister von Berlin: Grinsebacke Klaus Wowereit. Bild: dapd

BERLIN taz | Am Morgen danach hatten es die führenden Berliner Grünen um Spitzenkandidatin Renate Künast am eiligsten, ihre Botschaft unters Volk zu bekommen und sich der SPD als verlässlicher Koalitionspartner anzubieten: Es gebe eine absolute Geschlossenheit in der Partei, verkündeten sie am Montag. Bei der SPD soll sich erst gar nicht der Gedanke festsetzen, eine rot-grüne Koalition im Abgeordnetenhaus könne angesichts von nur zwei Stimmen Mehrheit eine zu wackelige Sache werden. Die CDU, mit der Wahlsieger Klaus Wowereit (SPD) eine breite Mehrheit hätte, hielt den Ball flacher und mochte sich nicht aufdrängen.

Es ist auf den ersten Blick eine komfortable Situation, mit der Wowereit aus der Wahl herausgegangen ist. Die SPD ist, trotz leichter Verluste, erneut stärkste Partei, kann sich einen Koalitionspartner aussuchen und muss auch nicht länger fürchten, dass Grüne und CDU zusammen finden. Mit den 17 Prozent, die Bündnis90/Grüne erhalten haben, hatte sich diese Sorge erledigt.

Auf den zweiten Blick aber sieht die Sache gar nicht mehr so angenehm aus. Dabei ist es eher nur ein peinlicher Ausrutscher, dass Wowereit seinen eigenen Wahlkreis an einen unbekannten CDU-Mann verlor und auch über die SPD-Liste nicht ins Parlament rücken kann - zum Regierungschef kann er auch ohne Mandat gewählt werden.

Bedeutsamer ist, dass seine Koalitionsalternativen nicht berauschend sind: Koaliert er mit den Grünen, muss er mit einer knappen Mehrheit leben, in der vor allem eine Reihe selbstbewusster direkt gewählter Grünen-Abgeordneter durchaus für eine abweichende Meinung sorgen könnten. Dazu hatte Wowereit schon am Wahlabend klargemacht: "Man muss fünf Jahre regieren können, da darf es keine Wackelei geben." Arbeitet Wowereit deswegen mit den Christdemokraten zusammen, vergrätzt er die CDU-Hasser in den eigenen Reihen und konterkariert Bemühungen der SPD-Bundesspitze, nach Neuwahlen im Bundestag Rot-Grün anzustreben.

Größtes Infrastrukturprojekt im Osten

Bei beiden Parteien will die SPD nun vorfühlen, wie eine Koalition aussehen könnte, war am Montag vor der Landesvorstandssitzung zu hören. Sondierungsgespräche nennt man das, und für die Grünen war auch schon klar, dass die bis Ende nächster Woche abgeschlossen sein sollen. Dann soll ein Grünen-Parteitag diskutieren, ob man Koalitionsgespräche führt. Das allerdings setzt voraus, dass Wowereit überhaupt ein solches Angebot macht. Denn alles könnte an 3,2 Kilometer Asphalt scheitern, dem geplanten Weiterbau der Stadtautobahn A 100. 420 Millionen Euro soll er kosten, komplett bezahlt aus Bundesmitteln. Es wäre das größte Infrastrukturprojekt im Osten. Die Grünen haben den Weiterbau klar abgelehnt. Sie befürchten statt Entlastung Dauerstau am Autobahnende und fordern stattdessen den Ausbau vorhandener Straßen.

Genauso aber wie die Grünen sich bisher gegen die Autobahn ausgesprochen haben, hat Wowereit sie unterstützt und dafür gesorgt, dass die SPD ihre zwischenzeitlich ablehnende Haltung bei einem erneuten Parteibeschluss änderte. Wowereit war dabei hohes Risiko eingegangen, hatte sein ganzes politisches Gewicht eingesetzt. Dass er seine Haltung nun ändert, liegt nicht nahe - vor allem wenn er die CDU als Alternative hat.

Wowereit selbst hat zu erkennen gegeben, dass es bei dem Autobahnbau für ihn um weit mehr als ein paar Autobahnkilometer geht. Dass es für ihn auch ein Symbol ist, ob sich große Infrastrukturprojekte in Deutschland überhaupt noch verwirklichen lassen - Ähnliches war dazu auch schon von der Bundeskanzlerin zu hören. Dazu gehört für Wowereit auch der künftige Großflughafen Schönefeld.

Macherqualitäten zeigen

Jenseits von konkreter Verkehrs- und Wirtschaftspolitik hat die Autobahn A 100 auch eine strategische Komponente. Ein möglicher Kanzlerkandidat, der Wowereit nach seinem dritten Wahlsieg in Folge ist, müsste Macherqualitäten vorweisen können, müsste zeigen, dass er Dinge durchziehen kann.

Das ist offenbar auch den Grünen bewusst, die es nicht mehr hören können, nur auf den Autobahnkonflikt angesprochen zu werden. "Wir haben unser Programm, und das besteht aus mehr als der A 100", sagte am Montag der Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, der unter Rot-Grün Innensenator werden könnte.

Auffällig war jedenfalls, dass es bei dem Grünen-Statement vom Montagmorgen kein klares "Wir bleiben bei unserem Nein" gab. Renate Künast, die nach ihrem Scheitern als Wowereit-Herausforderin Fraktionschefin im Bundestag bleiben will, hatte bereits im Radio nur formuliert, das Thema A 100 hänge "nach wie vor sehr hoch" bei den Grünen. Für Wowereit war die Sache schon im taz-Interview vor drei Wochen klar: "Ich glaube nicht, dass die Grünen eine rot-grüne Koalition an der A 100 scheitern lassen."

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12 Kommentare

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  • R
    Robert

    @ J.C.F.

    Hübsch, wenn's denn stimmt. Die 5-€-Partei. War ja zu erwarten.

     

    Ich hoffe sehr, daß Stuttgart21 ein laues Lüftchen gewesen sein wird gegen BerlinA100.

  • H
    Hendrik

    Halloooo??? Wer ist denn so naiv, zu glauben die Grünen würden nicht ihre Meinung ändern, wenn sie sich davon (eigene) Vorteile versprechen? Get real! Und mal ehrlich, wer keine Autos vertragen kann, sollte vielleicht auf Land ziehen, als hier den Öko ("Ah, die arme Umwelt") bzw. Gutmenschen ("Mit dem Geld kann man doch so viel Besseres tun: Schulen, Streetworker und Barrierefreiheit") zu geben. Für die paar Leute, die in dieser Stadt noch arbeiten müssen, um die ganze Berliner Spaßgesellschaft mitzufinanzieren, wäre die zu weiten Teilen u n t e r t u n n e l t e BAB sicher ein Gewinn.

  • J
    J.C.F.

    Ich habe die letzten zwei Wochen vor der Wahl jedem Grünen, den ich an Infoständen sah, eine Wette bis 4000 Euro angeboten, dass die Grünen um der Regierungsbeteiligung willen der A 100 zustimmen werden. Es haben alle gekniffen - bis auf einen, der war bereit ganze fünf Euro auf die Standfestigkeit seiner tollen Partei zu setzen.

     

    Wäre dieses feige, verlogenene, korrupte Pack jetzt noch an Straßenständen anzutreffen, wäre ich bereit, auch darauf zu wetten, welche Ausreden sie verwenden werden, nämlich eine Kombination aus der KZ-Wächter-Ausrede - "wenn ich die Juden nicht erschossen hätte, hätte es ein anderer getan" und der deutschen Jahrhundertausrede "Ich habe nur mitgemacht, um noch schlimmeres zu verhindern."

     

    Von den Grünen *verächtlich ausspuck* werden wir zu hören bekommen - "Wenn wir der Autobahn nicht zustimmen, tut's die CDU." und "Wir müssen doch eine rot-schwarze Koalition verhindern und überhaupt, wir können dafür doch soooo viel gutes durchsetzen."

     

    Kurzum: die A 100 wird, wie nicht anders zu erwarten, mit grüner Zustimmung gebaut werden und zum Ausgleich gibt's wunderbare Trostpflaster, eines schöner als das andere. Etwa grün angemalte Schallschutzmauern (selbstverständlich mit Ökofarbe), jedes Jahr 2 km mehr Radspuren und als absolute Krönung gendergerechte Fußgängerampeln, pardon: FußgängerInnenampeln, bei denen zu Hälfte statt der Ampelmännchen Ampelfrauchen leuchten.

  • CH
    Carsten Hoffmann

    Wowereits Ambitionen im Bund wäre wohl kaum gedient, wenn er jetzt mit der CDU ein Bündnis einginge um eine Autobahn zu bauen. Ob seine SPD das mitmachen würde ist auch nicht gesagt. Insofern haben die Grünen auch ein paar Karten auf der Hand. Sie können jetzt zeigen, ob sie die ausspielen können.

  • GN
    Grünen nicht die Schuld f.d. Autobahn anlasten

    Wowereit und sein verhuschtes Angebiedere bei den Neolibs und seinen ebensolchen Abgeordneten (bitt mal bei Birgit-Monteiro.de weiterlesen und dort die Jubeltexte speichelleckenden niederknie-enden Inhalts gegenüber Monteiro sich reinziehen, dann weiß man, welchen Formats Karrieristinnen und Karrieristen in der SPD sich liebedienernd nach oben und verächtlich nach unten, gegen die Arbeiterschaft (die sich das, wie man bei gegenüber Monteiro'schen Liebedienereien liest)wenden! Wowereit ist offensichtlich dieser Coleur von so genannten Ab-Geordneten zuzurechnen.

  • D
    Doc

    Und so werden "klare grüne Inhalte" sofort zur Disposition gestellt, wenn es um den Zugang zur Macht geht. Und dann wundert man sich noch über den Wahlerfolg der Piraten und den Glaubwürdigkeitsverlust der Grünen??

  • R
    Robert

    "Ein möglicher Kanzlerkandidat, der Wowereit nach seinem dritten Wahlsieg in Folge ist, müsste Macherqualitäten vorweisen können, müsste zeigen, dass er Dinge durchziehen kann. "

     

    Das Durchziehen dieses anachronistischen Stadtautobahnwahnsinnsprojektes wäre also ein Zeichen von Macherqualitäten? Gott, oder wer auch immer, schütze uns vor Politikern mit derartigen "Qualitäten". Selbst, wenn Wowereit mitsamt den Bündnis90Grünen bereit wäre, unmittelbar neben dieser Autobahn zu wohnen, bliebe es eine nicht zu akzeptierende stadtplanerische Katastrophe.

     

    Das einzig Erstaunliche an Wowereit ist(und das hat er wirklich erfolgreich "durchgezogen"), daß er offensichtlich für keine dieser vielen Fehlentwicklungen in der Stadt verantwortlich ist, obwohl er seit etlichen Jahren Bürgermeister ist.

     

    Vielleicht ist es längst egal, wer "regiert"? In Berlin sieht es schon sehr danach aus.

     

    Wäre hübsch, wenn Journalisten mal anfingen, wieder harte Fragen zu stellen.

  • J
    Jaja

    Sorry aber in einem Artikel über die Direktmandate der Grünen zu reden, die sehr unabhängig sein sollen, und danach darüber zu reden, dass die Grünen ihr zentrales Wahlversprechen eventuell brechen würden, ist schon sehr gewagt. Die Direktmandate kommen zum größten Teil aus Friedrichshain-Kreuzberg, einem Kreisverband der Grünen, der absolut gegen A100 steht. Rot-Grün hätte nur eine knappe Mehrheit, und die wäre sofort weg, wenn die A100 gebaut werden soll oder auch nur die Möglichkeit besteht, dass sie gebaut wird. Daher wird es kein Rot-Grün mit A100-Bau geben.

  • M
    MiRo

    Bei der A 100 dürfte ein Anruf bei den Hamburger Grünen genügen. Gegen die mitten durch Hamburg-Wilhelmsburg führende Ost-West-Autobahn Hafenquerspange hatten die Grünen 2008 drei Tage vor der Bürgerschaftswahl demonstriert- In der CDU-GAL/Grüne - Koalition hat die grüne Verkehrssenatorin Hajduk dann in vollstem Einvernehmen mit der Handelskammer erfolgreich gegen massiven Bürgerwiderstand die Autobahn in einer neuen Linie durchgesetzt. Und nach dem Ausscheiden der Grünen aus dem Senat und der SPD-Alleinregierung stellen sich die Grünen wieder als Autobahngegner dar.

    Ihre Argumente fürs Umfallen werden sein: "Wir können doch als sparsame und wirtschaftsfreundliche Partei nicht auf das Geld vom Bund verzichten", "wir sorgen für ganz tollen Lärmschutz", "wahrscheinlich kommt die Autobahn dann in Wirklichkeit garnicht". Und vielleicht springt ja auch noch ein kleines Künstlerquartier für die "Kreativen" heraus.

  • KH
    Karin Haertel

    Herzlichen Glueckwunsch! Es geht so weiter wie bisher und zur Begruessung der neuen alten Regierung gibt es gleich einen Toten am Kaiserdamm. Weiter geht es mit dem Schmusekurs mit U-Bahn-Schlaegern, Moerdern, Vergewaltigern, Brandstiftern und sonstigen Kriminellen jeder Coleur.. Die kommen dann dank der neuen Autobahn schneller an den Tatort und koennen dank des neuen Flughafens komfortabel fluechten.

  • E
    eva

    Liebe TAZ, die A100 "komplett bezahlt aus Bundesmitteln" zu nennen ist Blödsinn, falsch und irreführend!!!

    Zu diesen 420 Mio. kommen Planungskosten, die je nach Aufwand der Planung zwischen 10 und 18 % liegen. Im vorliegenden Fall wären das also noch einmal zusätzlich 30 bis 40 Mio. Euro, die das Land Berlin trägt. Evtl. kommen dazu auch Bauleitungskosten hinzu.

     

    Nach der eigenen Berechnung des Senats müssen mindestens 14,3 Mio. Euro für den Autobahnbau aufgewendet werden. Viel Geld für armes Land!

     

    Und Ihre Aussage, die Kosten für die Autobahn trage komplett der Bund, ist schlichtweg irreführend!!!!!

  • D
    Doc

    Und schon wieder werden "klar grüne Positionen" zur Disposition gestellt, wenn es um die Machtfrage geht. Und dann fragt man sich noch ernsthaft, warum die Grünen ein Glaubwürdigkeitsproblem haben??