SPD-Politikerin über Entwicklungshelfer: „Es geht um Wertschätzung“

Die neue entwicklungspoltitische Sprecherin der SPD, Bärbel Kofler, hält ungleiche Entgelte in Entwicklungsdiensten für ungerecht.

„Bekommen die Näherinnen in Bangladesch kaum einen Lohn, löst das Druck auf hiesige Arbeitnehmer aus.“ – Protest in Bangladesch. Bild: imago/Xinhua

taz: Frau Kofler, Ihr Vorgänger Sascha Raabe sagte, er wolle nicht mehr entwicklungspolitischer Sprecher der SPD sein, weil die eigene Parteispitze in den Koalitionsverhandlungen eine deutliche Aufstockung der Mittel für die Entwicklungspolitik verhindert habe. Ihnen ist das egal?

Bei den Verhandlungen zur Entwicklungspolitik war ich nicht dabei. Aber ich werde jedes Jahr in den Haushaltsrunden für Geld kämpfen. So ist Politik. Und wir hatten adäquate Aufwüchse im Wahlprogramm versprochen.

Genauer: Jedes Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich, Union und SPD einigten sich aber nur auf 200 Millionen. Wie lässt sich die Lücke stopfen?

Im Wahlprogramm hatten wir Steuererhöhungen in Aussicht gestellt. Die Union war dazu nicht bereit. Aber über neue Finanzierungsmöglichkeiten müssen wir reden. Beide Koalitionspartner, SPD und Union, haben zugesagt, sich rasch für eine Finanztransaktionssteuer in Europa einzusetzen.

Was lässt sich ohne Geld machen?

Wir müssen gute Arbeit wichtiger nehmen. Das hat erst letztes Jahr der Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch gezeigt. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO verlangt seit Langem Mindestlöhne und bessere Arbeitsbedingungen. Setzen sich diese Standards durch, hilft das Menschen konkret.

46, Bankkauffrau, Diplom-Informatikerin (FH), promovierte Sprachwissenschaftlerin ist die neue entwicklungspolitische Sprecherin der SPD.

Welche Druckmittel haben Sie?

Müsste eine Firma nachweisen, unter welchen Bedingungen ihre T-Shirts, Computer, Möbel entstehen, kann sie sich die verheerenden Zustände nicht mehr leisten. Das müssen wir angehen.

Und was soll CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller mit der GIZ machen, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die Niebel ihm hinterlässt? Der verschmolz im Jahr 2011 die Bildungsagentur Inwent, den Deutschen Entwicklungsdienst DED und das Expertenunternehmen GTZ. Die Mitarbeiter ringen bis heute mit der Fusion.

Solche Umstellungsprozesse sind für die Betroffenen immer schwierig. Die unterschiedlichen Unternehmenskulturen sind offensichtlich zu wenig berücksichtigt worden …

die einst vom DED entsandten Entwicklungshelfer und die GIZ-Auslandsmitarbeiter, die Experten der früheren GTZ, werden nach wie vor unterschiedlich bezahlt. Erstere bekommen um die 1.500 Euro im Monat, Letztere deutlich mehr.

Da muss ein Ausgleich gefunden werden, auch wenn das nicht ganz einfach ist. Wer Menschen in schwierige, gar gefährliche Regionen dieser Erde schicken will, muss sie ordentlich bezahlen. Sonst ist der ohnehin nicht familienfreundliche Job zu wenig attraktiv.

Seit 2011 sind in der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) die Bildungsagentur Inwent, der Deutsche Entwicklungsdienst DED und die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) vereint. Die Fusion wurde damals von allen politischen Parteien begrüßt. Doch Entwicklungshelfer, die einst der DED entsandte, beklagen eine Übermacht der ehemaligen GTZ. Das spiegele sich in der Vergabe der Führungsposten und in der Bezahlung wieder, lautet die Kritik. Denn der Job der Entwicklungshelfer gilt nicht als Erwerbsarbeit mit Lohnzahlungen. Für den Dienst gibt es nur Unterhaltsgeld für die Lebenshaltungskosten. So steht es im Entwicklungshelfergesetz. Die Auslandsmitarbeiter der GIZ, das sind die einstigen Fachleute der GTZ, haben mit dem Entwicklungshelfergesetz nichts zu tun. Sie beziehen ein Gehalt, das wesentlich üppiger ausfällt als das Unterhaltsgeld. (taz)

Entwicklungshelfer und GIZ-Auslandsmitarbeiter bekommen jetzt aber sogar weniger statt mehr. Der Fiskus kassierte viele Jahre lang keine Steuern von ihnen. Seit Januar ist das anders. Und nun?

Das Einkommen zu besteuern ist richtig. Das ist ein Frage der Glaubwürdigkeit und Gerechtigkeit im Vergleich zu anderen Bürgern.

Damit ist aber die von Niebel versprochene „Augenhöhe“ aller Mitarbeiter nicht erreicht. Und der Frust ist groß. Entwicklungshelfer sprechen nach wie vor von einer „Zwangsfusion“.

Da geht es nicht nur ums Einkommen, sondern grundsätzlich um Wertschätzung.

Was muss sich dann ändern?

Entwicklungspolitik spielt bei uns in der öffentlichen Wahrnehmung leider kaum eine Rolle. Und wenn, dann machen wir den Gegensatz „lieber hier als dort“, spielen Investitionen in Bildung hier gegen die in Bangladesch aus. Wir müssen aber vielmehr klarmachen, dass Nichtstun in der Entwicklungspolitik zu Hause üble Folgen hat.

Ein Beispiel?

Bekommen die Näherinnen in Bangladesch kaum einen Lohn, löst das Druck auf hiesige Arbeitnehmer aus, auch billiger zu produzieren. Wenn wir das stärker thematisieren, wird die Arbeit der Entwicklungsleute mehr geschätzt.

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