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SPD-Politiker Schmid über Georgien-Wahl„Hinweise auf umfangreiche Stimmenkäufe“

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion fordert als Reaktion auf den Wahlbetrug neue Sanktionen – solange es die Richtigen trifft.

Eine Anhängerin der Oppositionsparteien am 28. Oktober in Tiflis Foto: David Mdzinarishvili/epa

taz: Herr Schmid, die Bundesregierung hat sich noch nicht eindeutig zum Wahlergebnis in Georgien geäußert. Die prorussische Regierungspartei „Georgischer Traum“ soll am Wochenende angeblich 54 Prozent der Stimmen gewonnen haben. Sollte sich Deutschland jetzt klar auf die Seite der Opposition stellen, die von gefälschten Wahlen spricht?

Nils Schmid: Alle Regierungen in Europa, auch die Bundesregierung, sollten klarmachen, dass es offensichtlich breit angelegten Wahlbetrug und Beeinflussung durch die Regierungspartei und die von ihr beherrschten staatlichen Organe gegeben hat. Das Dringendste ist jetzt die Aufklärung über die vermutete mehrfache Stimmenabgabe von vielen tausend Wähler:innen. Das könnte das Ergebnis verfälscht haben.

taz: „Könnte“ sagen Sie. Der vorläufige Bericht der OSZE-Wahlbeobachter hat zahlreiche Unregelmäßigkeiten festgestellt. Aber reicht das, um von Wahlbetrug zu sprechen?

Schmid: Auch die einheimischen Wahlbeobachtungsorganisationen bestätigen Unregelmäßigkeiten, haben aber kein eigenes Auszählergebnis veröffentlicht. Deshalb ist der Nachweis des Wahlbetrugs schwierig. Wir haben aber sehr, sehr schwerwiegende Hinweise auf umfangreiche Stimmenkäufe, vor allem in ländlichen Regionen, und darauf, dass Lücken in der Wählerregistrierung ausgenutzt wurden. Das war insbesondere bei Staatsbediensteten der Fall, die offensichtlich ihre Stimme mehrfach an verschiedenen Wahllokalen abgeben konnten. Das ist offenkundig in großer Zahl geschehen und hätte dann selbstverständlich Einfluss auf das Wahlergebnis. Die georgischen Behörden müssen jetzt die Wählerregister offenlegen, damit eine doppelte oder mehrfache Stimmenabgabe nachvollzogen werden kann. Wenn sie das nicht tun, dann hat die aktuelle georgische Regierung offensichtlich was zu verbergen.

Nils Schmid

ist seit 2018 außenpolitischer Sprecher der SPD im Deutschen Bundestag.

taz: Die Wahlleitung will in 14 Prozent der Wahllokale neu auszählen lassen, also etwa 5 Prozent der Stimmen. Reichen diese Korrekturen?

Schmid: Es ist zumindest die Bandbreite, die den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage für Regierung oder Opposition ausmachen können. Aber unbedingt erforderlich ist nicht nur eine Neuauszählung, sondern die Offenlegung des Wählerverzeichnisses und ein Abgleich mit den Wahllokalen.

taz: Erwarten Sie, dass alles offengelegt wird und die Opposition im Endergebnis möglicherweise doch gewinnt? Russland hat gezeigt, dass es Wahlen beeinflussen kann und kein Interesse an einer prowestlichen Demokratie in der Nachbarschaft hat.

Schmid: Das ist jetzt eben die Nagelprobe für die Demokratie in Georgien. Kommt es nicht zu einem solchen umfassenden Abgleich im Wählerregister, wird die Wahl für immer mit dem Ruch des Wahlbetrugs verbunden sein. Die bisherige Vorgehensweise der georgischen Regierung lässt wenig Gutes hoffen.

taz: In den letzten Jahren sind 340 Millionen Euro EU-Gelder nach Georgien geflossen, Deutschland ist der zweitgrößte bilaterale Geldgeber. Sollten diese Zahlungen dann auf den Prüfstand?

Schmid: Auf alle Fälle. Die bilaterale Zusammenarbeit Deutschlands mit Georgien kann dann künftig nur noch mit regierungsfernen Organisationen der Zivilgesellschaft stattfinden. Nicht mit der korrupten Regierung. Gleiches gilt für die EU-Gelder, die im Vorfeld eines EU-Beitritts und im Rahmen der östlichen Partnerschaft gezahlt werden. Seit Juni gilt bereits ein vorläufiger Auszahlungsstopp. Klar ist auch, dass mit dem jetzigen Kurs die Voraussetzungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nicht erfüllt sind. Georgien kann also auf dem Weg in die EU nicht weiter vorankommen.

taz: Genau das will Russland. Wenn man diesem Drehbuch folgt, hat sich Putin vollumfänglich durchgesetzt, oder?

Schmid: Wir können aber nicht über die weitverbreitete Korruption und die Rückschritte bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hinwegsehen. Das Verhalten der georgischen Regierung muss Konsequenzen haben, allerdings nicht zu Lasten der Zivilgesellschaft.

taz: Das heißt?

Schmid: Deshalb bin ich dafür, dass wir an der Vereinbarung zur Visafreiheit mit Georgien festhalten. Dessen Wegfall würde ja vor allem die einfache Bevölkerung treffen und nicht die Eliten, die andere Möglichkeiten haben zu reisen. Allerdings sollte die EU gezielte Sanktion vorbereiten gegen Personen, die für Wahlfälschungen und Eingriffe in den Rechtsstaat verantwortlich sind.

taz: Aber bringt das was?

Schmid: Georgien ist zu einem erheblichen Anteil wirtschaftlich mit der EU verbunden. Eine gedeihliche Entwicklung ist nicht mit Russland, sondern mit der EU, dem größten Binnenmarkt der Welt, verknüpft. Die EU sollte also auf ihre eigene Attraktivität setzen.

taz: Sollte das Fachkräfteabkommen mit Georgien dann fortgesetzt werden?

Schmid: Das betrifft ganz normale Bürgerinnen und Bürger aus Georgien. Wir sollten die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung nicht aufs Spiel setzen.

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