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SPD-Linker und Hartz IV-GegnerOttmar Schreiner ist tot

Er war der wohl schärfste Kritiker der Agenda 2010 in seiner eigenen Partei. Mit 67 Jahren starb der SPD-Politiker Ottmar Schreiner nach einer Krebserkrankung.

Ottmar Schreiner ist seiner Partei immer treu geblieben - trotz Lafontain'scher Versuchungen. Bild: dpa

BERLIN/SAARBRÜCKEN dpa | Der SPD-Linke Ottmar Schreiner ist tot. Der 67-jährige Bundestagsabgeordnete starb am Samstag. Er war seit längerem an Krebs erkrankt.

Schreiner, der bereits seit 32 Jahren im Bundestag saß, war ein erbitterter Gegner der Reform-Agenda 2010 des damaligen SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Auch die von der SPD in der großen Koalition mit beschlossene Rente mit 67 lehnte er strikt ab.

Im vergangenen Jahr hatte Schreiner bereits den Vorsitz der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) niedergelegt, die er zwölf Jahre geleitet hatte.

Der ehemalige Fallschirmjäger und spätere Jurist stammt aus dem saarländischen Merzig, wo er trotz seines späteren Umzugs nach Saarlouis bis zuletzt auch ein Wahlkreisbüro unterhielt. Der Katholik trat 1969 in die SPD ein. Von 1974 bis 1977 war er stellvertretender Vorsitzender der Jungsozialisten.

Schreiner wurde 1980 in der Regierungszeit Helmut Schmidts erstmals in den Bundestag gewählt. 1997/98 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender. 1998 wurde er Bundesgeschäftsführer seiner Partei, aber bereits nach einem Jahr wurde er von Schröder aus dem Amt gedrängt.

Wurde Schreiner früher in der SPD als Pragmatiker geschätzt, so galt er vielen zuletzt als unbeweglicher Betonlinker. Eine Zeitlang wurde gar über einen Wechsel zur Linkspartei spekuliert, zumal er sich deren zeitweiligen Vorsitzendem, dem einstigen saarländischen Spitzen-Sozialdemokraten Oskar Lafontaine, weiterhin verbunden fühlte. Doch Schreiner blieb den Sozialdemokraten bis zum Schluss treu.

Zuletzt setzte der Krebs ihm schwer zu. Auch eine schwere Operation überstand er. Schreiner hinterlässt neben seiner Frau auch drei Kinder.

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17 Kommentare

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  • I
    Irmi

    Ottmar Schreiner er verkörperte das warum man SPD wählen würde. Heute nicht mehr man muss nur allen anderen diesen Kanzlerkandidaten anschauen, so weis man, wen man sicher welche Partei man nicht wählt.

     

    Das einfach Volk hat man abgeschrieben wie in Amerika, nur die Reichen, die "Erfolgreichen" stehen im Mittelpunkt Arme und Rentner scheinen nur noch Last für die Regierenden zu sein.

  • ES
    Ewald Schleiting

    @ Detlev

     

    Welche Freunde und welche Unterstützung gab es in dieser Partei für seine Positionen? Und warum werden ehrsame lernbehinderte Menschen mit diesen Agenda-2010-Verrätern in einen Topf geworfen?

  • L
    leone

    gesendet am 07.04.13 um 14.20 uhr:

     

    von wegen betonlinker, ich hatte das glück, einer veranstaltung mit diskussion von o. schreiner beizuwohnen, er war mit den menschen, von beton war weit und breit nix zu spüren. einfach ekelhaft, diese pauschalierungen im artikel, er war das lebende beispiel für das gegenteil.

    er verkörperte die spd, die noch wählbar war, lang ists her...

  • DB
    Dietmar B.

    Wieder haben die Guten einen der ihren verloren. Einen Aufrechten, einen Gewissenhaften. Einen, der nicht die eigene Karriere im Blick hatte, sondern seine Aufgabe als gewählter Volksvertreter ernstgenommen hat. Wieviele Sozialdemokraten gibt es eigentlich noch? Es werden immer weniger. Tschüss Ottmar, du fehlst...

  • DB
    Dietmar Brach

    Danke Ottmar

    Danke für dein unermüdliches Bemühen um Gerechtigkeit, danke für deinen Kampf um deine Partei. Du wirst allen denen fehlen die, wie du, vergeblich versuchten die SPD wieder zu einer sozialdemokratischen Partei zu machen. Du wirst fehlen, wenn es darum geht diese Partei irgendwie doch noch als, zumindest in Teilen, sozialdemokratisch zu rechtfertigen, du wirst fehlen, wenn es darum geht, einen Grund zu finden, warum man als links-liberaler immer noch SPD wählt. Vor allem wird man dich vermissen, wenn man die letzten Sozialdemokraten der SPD benennen soll. Dennoch:

    Du hast für diese Partei gekämpft und wolltest sie nicht der Agenda eines selbstverliebten Kanzlers opfern. Ich wünsche dir, dass viele in deinem Sinne weiter kämpfen.

    Dietmar Brach

  • ES
    Ewald Schleiting

    Wollte eigentlich einen Kommentar schreiben, nicht mehr nötig, "der Bär" hat´s schon geschrieben. Nur die Bezeichung "Pappnasen und -näsinnen" ist mir für die Gemeinten zu schmeichelhaft.

  • KK
    Karl K

    Ja,sein Abgang ist zu betrauern;

     

    solche von seinem Format und Rückgrad,

    wie noch Carlo Schmidt, Adolf Arndt, Leber Schorsch,

    Hans-Jochen Vogel, Ernst Breit, Egon Bahr ...?

    seh ich in dieser SPezialDemokratenPartei heute nicht mehr:

     

    "....die Enkel fechtens besser aus.."

    hat sich aktuell leider nicht bestätigt.

     

    Otmar Schreiner stand dafür, genau letzteres deutlich den Schröders et al.bis Steini I. rein zu reiben.

     

    Danke. und so denn

    - ".. trotz alledem und alledem ..."

  • C
    Celsus

    Es ist ein wirklich aufrechter Demokrat mit sozialer Einstellung, der sich durch nichts einschüchtern ließ und auch innerhalb der SPD ein scharfer Gegner der Agenda 2010 war und blieb.

     

    Der Mann sollte ein Vorbild für andere SPD-Abgeordnete sein. Er zeigt, was vom sozialen Gewissen der SPD übrig blieb. Auch eine Frau Nahles, die sich gerne das Schildchen SPD anpappt, könnte sich da gleich mehrere Scheiben abschneiden.

     

    Würde die SPD aus solchen Männern und Frauen bestehen, wäre sie jetzt nicht bei ca. 25 % angekommen. Sie wäre dann immer noch Volkspartei.

  • D
    Detlev

    Der letzte, alte Sozialdemokrat ist tot.

     

    Das ist traurig, aber bei der SPD werden jetzt die Champusflaschen knallen, denn nun können sie mit McKinsey, Massenentlassungen und der Agenda 2020/2030 gleich weitermachen.

     

    Mir tut es für die Familie leid, denn der Bundestag fordert viel von einer Familie und Schreiner hat sich an lernbehinderten, bornierten Menschen abgearbeitet. Aber: Er hatte viele Freunde und viel Unterstützung in dieser Partei erfahren. Das sollte man nicht vergeßen. Nicht jeder dort ist ein Idiot, auch wenn der Eindruck sich im Steinbrück-Wahlkampf mehr und mehr einstellt.

     

    Sehr schade - mein Beileid - wieder ein Stück SPD verschwunden.

  • W
    Waage

    das tut mir leid.

     

    Solche Leute wachsen nicht einfach so nach, vor allem in der SPD nicht.

  • F
    Falmine

    "... mit uns geht die neue Zeit." Mit Ottmar Schreiner ist der letzte einer solidarischen Sozialdemokratie gegangen. Ein Mann mit Charakter, Rückgrat und Gewissen. Meinen Respekt für seine Lebensleistung und mein Beileid seiner Familie!

     

    In einem Nachruf einen Menschen als "unbeweglichen Betonlinken" zu diskreditieren, zeigt nur, wie weit sich die SPD seit Schröders Tagen entsolidarisiert hat. Da helfen keine Jubelfeiern - die SPD bleibt unwählbar. Deshalb bitte jetzt keine Krokodilstränen von den neoliberalen Konsorten aus Seeheim.

  • DB
    Der Bär

    Schreiner war kein "SPD-Linker", er war Sozialdemokrat.

    Die aktuellen Pappnasen.-und Näsinen sind es nicht.

  • N
    noevil

    Ottmar Schreiner war ein anständiger Mensch. Er ist dem Mikrophonen nicht nachgerannt wie so viele andere. In all seinen Meinungsäußerungen war neben Substanz dieser Anstand überaus wohltuend spürbar. Einem solchen Politiker habe ich gern zugehört und auch auf ihn gehört. Ich werde seine politische Arbeit in seiner Partei sehr vermissen.

  • A
    antares56

    Mein Beileid an die Familie.

    Ottmar war einer der letzten halbwegs echten Sozialdemokraten! Er hat sich gegen Schröders "Basta" zwar nicht durchsetzen können - ist dafür aber heute beliebter und wichtiger als Schröder.

  • DK
    Das kommt Merkel_A entgegen

    ... geht doch die marktwirtschaftliche Ausrichtung der Demokratur auf ihr manisch-ketzerisches Bestreben zurück, wozu auch H4 und andere Gemeinheiten gehören.

    Die SPD soll sich nicht doof anstellen, sondern Frau Merkel_A und die ganze Sekte CDU und Sekte FDP in den Orkus der Geschichte jagen.

  • E
    eksom

    In den nächsten 10- bis 15 Jahren werden mindestens 50% der Bevölkerung an KREBS erkranken und langsam und elendig sterben, wenn wir nicht schell eine 180 Grad Kehrtwende in Sachen Konsum mit Chemie in allen Ver- und Gebrauchststoffe machen!

    Wussten Sie, dass ca. 1 Mio. chemische Stoffe im Umlauf sind, aber nur für ca. 500 Grenzwerte gibt? Und nur bei ca. 100 wurden die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit erforscht.

  • M
    Marc

    Nach Chavez hat man jetzt also auch Schreiner mit dem Krebs infiziert.