SPD-Linker über neues Steuerkonzept: „So, wie jetzt, ist es nicht fair“
Matthias Miersch hält eine Vermögensteuer für notwendig. Bei Normalverdienern dürfe nicht der Eindruck entstehen, der SPD sei Ungleichheit egal.
taz: Herr Miersch, die Vermögensteuer fehlt im Steuerkonzept der SPD. Warum traut sich Ihre Partei nicht, gegen Ungleichheit zu kämpfen?
Matthias Miersch: Unser Steuerkonzept entlastet Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen. Wir erhöhen den Spitzensteuersatz und sorgen dafür, dass Einkünfte aus Kapital und Arbeit gleich besteuert werden. Diese Ansätze finde ich sehr gut. Wie wir darüber hinaus hohe Vermögen perspektivisch noch stärker heranziehen können, werden wir auf dem Parteitag am Sonntag diskutieren.
Die SPD-Spitze ist gegen die Vermögensteuer. Sie sei zu kompliziert, zu schwierig zu erheben, schädlich für Firmeninvestitionen.
Es ist richtig, dass die Einführung einer Vermögensteuer rechtlich nicht ganz einfach umzusetzen ist. In der nächsten Zeit wird es zwei wichtige Gerichtsentscheidungen, unter anderem des Europäischen Gerichtshofs, geben, die für die Ausgestaltung einer Vermögensteuer relevant sind. Aber offene Fragen bedeuten nicht, dass man die Vermögensteuer politisch beerdigen sollte. Bei Normalverdienern darf nicht der Eindruck entstehen, die SPD nehme die steigende Ungleichheit bei den Vermögen in Deutschland einfach so hin.
Wirtschaftsverbände wie der DIHK kämpfen gegen die Steuer. Ist das der Grund für das Zögern der SPD-Spitze?
Die Vermögensteuer ist Beschlusslage der SPD. Ich bin sicher, dass eine Ausgestaltung möglich ist, die Investitionen von Firmen nicht beschneidet.
Der zweite Hebel für mehr Verteilungsgerechtigkeit ist die Erbschaftsteuer. Warum bleibt die SPD in ihrem Steuerkonzept hier so schwammig?
Moment. Wir kündigen eine umfassende Erbschaftsteuerreform an, durch die sehr große Erbschaften höher besteuert und weniger Ausnahmen zugelassen werden. Das zielt auf den fortgesetzten Skandal, dass schwer reiche Unternehmenserben diese Steuer kaum bezahlen – der Erbe aus der oberen Mittelschicht, der zwei oder drei Häuser erbt, aber sehr wohl.
Bei der Erbschaftsteuer steckt der Teufel im Detail. Und in Ihrem Konzept steht eine nichtssagende Floskel.
Das sehe ich anders. Entscheidend ist, dass wir uns zu dem Ziel bekennen, große Erbschaften stärker zu besteuern. Alles andere kommt später. Ein Wahlprogramm ist nicht der richtige Ort, um seitenweise juristische Modelle aufzuschreiben.
Die SPD hat die Erbschaftsteuerreform in der Großen Koalition mitgetragen. Diese schützt die Privilegien von Superreichen sehr weitgehend.
Ich war mit dieser Reform auch nicht zufrieden. Aber mehr war mit der Union nicht zu machen. Hätten wir keinen Kompromiss gefunden, wäre die Erbschaftsteuer vollständig weggefallen. Aber nun braucht es nach der Wahl einen neuen Anlauf.
Parteitag: Die SPD wird am Sonntag in Dortmund ihr Programm für die Wahl beschließen. Geplant ist eine Rede von Kanzlerkandidat Martin Schulz.
Programm: Das Programm der SPD ist größtenteils bekannt. Die SPD will mehr Investitionen in Bildung und Familienpolitik. Sie wirbt mit einem Steuerkonzept, das Normal- und Niedrigverdiener entlastet.
Streit: Bisher fehlt eine Vermögensteuer im Entwurf. Es ist nach taz-Informationen möglich, dass der Vorstand den Vorschlag bis Sonntag übernimmt. (us)
Die Reform wird wohl wieder vor dem Verfassungsgericht geprüft werden. Glauben Sie wirklich, dass Ihre Partei das heikle Thema noch mal anfasst, wenn Karlsruhe es durchwinkt?
Mal ganz grundsätzlich: Ich finde falsch, dass die Parteien schwierige Themen zunehmend dem Verfassungsgericht zuschieben. Eine neue Koalition muss das Thema hohe Erbschaften aktiv angehen, auch dann, wenn Karlsruhe keine Einwände gegen den jetzigen Zustand hat. So, wie es jetzt ist, ist es nicht fair.
Die SPD zieht mit einem moderat-linken Steuerkonzept in den Wahlkampf. Verwirklichen ließe sich das nur mit Rot-Rot-Grün, oder?
Ich persönlich habe da überhaupt keine Berührungsängste. Aber es stimmt schon, dass die außenpolitischen Vorstellungen von Teilen der Linkspartei mit verantwortlichem Regierungshandeln nur schwer kompatibel sind. Ich verstehe Martin Schulz, wenn er sagt, mit ihm als Kanzler wird es keinen europapolitischen Schlingerkurs geben.
Was nutzt ein Plan ohne Machtperspektive?
Abwarten. Koalitionen funktionieren über Schnittmengen. Alle Parteien sollten auf ihre Inhalte schauen und keine Ausschließeritis betreiben. Aber eine Koalition darf kein Selbstzweck sein. Am 24. September werden wir sehen, mit wem die SPD ihre Kernforderungen umsetzen kann.
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