SPD-Kandidaten für das Verfassungsgericht: Folter nicht ganz ausgeschlossen
Die SPD nominiert neue Verfassungsrichter. Präsident soll Rechtsprofessor Horst Dreier werden. Er hält Eingriffe in die Menschenwürde von potenziellen Verbrechern für diskutabel.
FREIBURG taz Am Bundesverfassungsgericht werden in Kürze zwei Schlüsselpositionen neu besetzt. Zufällig hat die SPD für beide das Vorschlagsrecht. Neuer Vizepräsident soll der Würzburger Rechtsprofessor Horst Dreier werden. Sein Freiburger Kollege Johannes Masing soll künftig in Fragen der Meinungsfreiheit federführend sein.
Dreier wird im Zweiten Senat Nachfolger des jetzigen Vizepräsidenten Winfried Hassemer, der im Februar 68 Jahre alt wird und deshalb aus Altersgründen ausscheiden muss. Nur zwei Jahre später, im Februar 2010, wird Dreier sogar Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden und dann zehn Jahre lang, bis zum Ende seiner zwölfjährigen Amtszeit, das Gericht nach außen repräsentieren. Denn 2010 endet die Amtszeit des jetzigen, von der Union nominierten Präsidenten Hans-Jürgen Papier.
Dreier, der seit 1971 der SPD angehört, ist ein hoch angesehener Jurist. Der 53-Jährige ist Herausgeber eines dreibändigen Grundgesetzkommentars, der seinen Namen trägt. Der politischen Öffentlichkeit wurde er als Mitglied des Nationalen Ethikrats bekannt. Als Sprecher der forschungsfreundlichen Mehrheit dieses Gremiums plädierte er im Juli für die Liberalisierung der Stammzellforschung.
Problematisch ist seine Haltung zur Folter. In seiner Kommentierung zum Menschenwürde-Artikel des Grundgesetzes hält er Eingriffe in die Menschenwürde von potenziellen Verbrechern für diskutabel - wenn nach Ausschöpfung aller anderen Mittel nur noch so die Menschenwürde eines Verbrechensopfers gerettet werden kann. In dieser Konstellation dürfe "der Rechtsgedanke der rechtfertigenden Pflichtenkollision nicht von vornherein auszuschließen sein". Im Klartext: Um Leben zu retten, könnte auch Folter rechtmäßig sein.
Ausgewählt wurde Horst Dreier von einer informellen SPD-Runde, der Justizministerin Brigitte Zypries, Fraktionschef Peter Struck sowie der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen angehören. Da Verfassungsrichter mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden, muss auch die CDU zustimmen. Wie zu hören ist, hat aber auch der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger als Verhandlungsführer der Unionsseite sein Plazet gegeben. Am 15. Februar soll im Bundesrat die Wahl stattfinden.
Auch der zweite Richterposten wird an diesem Tag neu besetzt. Johannes Masing soll Nachfolger von Wolfgang Hoffmann-Riem werden, der bisher die Urteile zur Meinungsfreiheit, zum Demonstrationsrecht und zum Datenschutz vorbereitet. Es geht also um das Dezernat, das die meisten brisanten Karlsruher Fälle zu bearbeiten hat.
Masing ist 49 Jahre alt, wirkt aber noch recht jugendlich. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt war zuletzt die Regulierung von Strom-, Gas- und Wasserversorgung. Im Grundrechtskommentar von Dreier hat er aber zum Beispiel das Asylrecht erläutert und dabei auch die Reform von 1993 als "Asylverhinderungsvorschrift" kritisiert. Masing war schon als Prozessvertreter in Karlsruhe. 2005 hat er die Bundesregierung im Verfahren um den Europäischen Haftbefehl vertreten. Der Prozess ging aus Sicht der Regierung verloren, sie musste das Gesetz novellieren. Masing hat nicht nur Rechtswissenschaft, sondern auch Philosophie und Musik (Klavier) studiert.
Eigentlich hatte die SPD versprochen, zumindest für einen der beiden Richterposten eine Frau zu nominieren, weil sie zuletzt den Richtersitz von Renate Jäger nach deren Ausscheiden mit Reinhard Gaier besetzte. Offensichtlich fand die SPD erneut keine für Karlsruhe geeignete Juristin.
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