SPD-Frauenpolitikerin über Brüderle: „Heute ist die Abwertung subtiler“
Die SPD-Vizefraktionsvorsitzende Elke Ferner über Rainer Brüderles Anmachspruch und den sich wandelnden Sexismus im parlamentarischen Alltag.
taz: Frau Ferner, Sie sind SPD-Frauenpolitikerin und müssen es wissen: Wo fängt Sexismus eigentlich an?
Elke Ferner: Die Grenzen sind sicher fließend. Aber es ist natürlich schon so, dass man mitunter das Gefühl hat, dass Grenzen überschritten werden.
Wo?
Zum Beispiel, wenn Männer den Bericht der Stern-Reporterin über Rainer Brüderle so kommentieren, dass die betroffene Frau sich gezielt aufreizend zurechtgemacht hat. Frauen machen sich aber auch einfach nur für sich selber hübsch und wollen niemanden anmachen, schon gar keine alten Herren.
Sie sitzen seit vielen Jahren im Bundestag. Gibt es im parlamentarischen Alltag Sexismus gegenüber weiblichen Abgeordneten?
Vor 20 Jahren war das deutlich schlimmer. Heute funktioniert die Abwertung subtiler. Etwa wenn im Plenum der Lärmpegel steigt, wenn eine Frau ans Rednerpult tritt oder wenn Abgeordnete unpassende Zwischenbemerkungen machen. Ganz so offen wird Sexismus im Parlament nicht mehr ausagiert, weil jeder verstanden hat, dass das politisch nicht korrekt ist.
Sexismus trifft ja bekanntlich nicht nur junge Abgeordnete. Über ältere Frauen wird gern gespottet. Haben Sie derlei erlebt?
Ja, zum Beispiel immer dann, wenn es um die Frage der Verjüngung geht. Da geht es eigentlich fast nur darum, junge Männer ins Parlament zu kriegen. Das fordern dann Männer, die mitunter selbst älter sind als die Frauen, die sie gern austauschen würden. Nach deren Wahrnehmung stehen ja Männer Mitte 50 in der Blüte ihres Lebens, während Frauen in diesem Alter als ältlich und unflexibel gelten.
Was sagen Sie zum Bericht der Stern-Kollegin über die Anmache durch den FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle: Ist das Sexismus oder die verzeihliche Entgleisung eines angetrunkenen Politikers?
Nein, das ist Sexismus pur. Man braucht schon eine gewisse Grundhaltung, um sich im angetrunkenen Zustand so zu verhalten. Sicher würde er sich so keinem Mann gegenüber verhalten.
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