SPD-Familienministerin im Wahlkampf: Das Lächeln der Katarina B.
Katarina Barley wurde Familienministerin wider Willen. Auf Wahltour mit einer, deren Vorgängerin alles abgeräumt hat.
Das Positive, das wäre in diesem Fall eine weitere Auflage der Großen Koalition aus Union und SPD. Und sie, Barley, würde Familienministerin bleiben. Gut möglich, dass das passiert nach dem 24. September, wenn das Land einen neuen Bundestag gewählt hat. Es könnte aber auch ganz anders kommen, wenn sich die Union mit der FDP zusammentut. Oder mit der FDP und den Grünen. Wie auch immer, die SPD wäre raus der Regierung – und damit auch die Ministerin. Was macht Barley dann?
Darüber denkt die 48-Jährige jetzt nicht nach. Das „Positive“, das geht ja anders.
„Wir brauchen noch einen Müllbeutel“, sagt sie und klemmt eine Plastiktüte unter den Autositz. „Ein bisschen Zeltplatzfeeling muss schon sein.“ In einem ärmellosen weißen Kleid hockt sie mit angezogenen Beinen auf dem Sitz und knabbert an einem Schokokuchen. Vormittags, sagt sie, muss immer genug zu essen da sein. Dann läuft das. Und schon lacht sie wieder.
Barley und der Optimismus, das scheint ein Paar zu sein wie Pat und Patachon, Dick und Doof, Blom und Donner-Karlsson. Das erleben derzeit viele Menschen, die die Familienministerin überall im Land trifft. In Unternehmen, Krankenhäusern, Kitas, in Gründerinnenzentren und Mehrgenerationenhäusern.
„Die hat ja gute Laune“
Im politischen Berlin kennt man die 48-Jährige, Deutsch-Britin, Juristin, geschieden, Mutter zweier Söhne – und SPD-Blitzaufsteigerin: seit 2013 im Bundestag, Ende 2015 Generalsekretärin ihrer Partei, und nun, seit Juni dieses Jahres, Familienministerin. Bis tief in die Republik aber, in die Provinz, hat sich der Name Barley nicht unbedingt herumgesprochen.
Deshalb stellt sie sich in diesen Wochen den Leuten vor, in Sachsen-Anhalt, in Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz. Sie nennt es Sommertour, aber es ist knallharter Wahlkampf, sie will Ministerin bleiben. Sie erzählt den Menschen, was sie vorhat, wenn die SPD weiter regiert. Sie preist die Familienarbeitszeit, mit der die SPD Müttern und Vätern die Kombination aus Job und Familie erleichtern will. Sie ärgert sich laut über ungleiche Löhne zwischen Frauen und Männern und widmet sich den Sorgen Alleinerziehender. „Ich mache das wahnsinnig gern“, sagt sie. Und strahlt.
Halina Wawzyniak, Linke
Später, in der Uniklinik in Halle in Sachsen-Anhalt, steht Barley in einem lichtdurchfluteten Raum. Einer der modernsten Kreissäle des Landes, wie die Familienhebamme Katja Schumann sagt. Die 51-Jährige hilft Eltern, die viele Kinder haben oder soziale oder finanzielle Sorgen. Familien wie die M.s, die vor drei Wochen ihr achtes Kind bekommen haben. Jetzt hat die Mutter ihr siebtes Kind auf dem Schoß, die eineinhalbjährige Emma. Barley schraubt einen bunten Behälter mit Seifenblasen auf und bläst der kleinen Emma ein paar davon ins Gesicht. Die patscht mit ihren Händchen nach den schillernden Blasen und gickert. „Keine Ahnung, ob das hygienisch ist“, sagt Ministerin Barley. „Geht so“, sagt Hebamme Schumann.
„Die hat ja gute Laune“, sagt ein Mann. So ist das mit Barley. Überall, wo sie hinkommt, sagen die Leute Sätze wie: „Mann, ist die nett“, oder: „So eine freundliche Politikerin haben wir schon lange nicht erlebt.“ Optimismus kann Barley.
Hubertus Heil bescheinigte man mehr Beißreflexe
Das sagt man auch in der SPD, ganz ohne PR-Absicht. „Super umgänglich“ sei sie, „authentisch, heiter, ungekünstelt“. Selbst aus der Opposition kommen wohlwollende Worte. „Sie spielt nichts, sondern ist sie selbst, an der Sache orientiert und hat immer den Menschen im Blick“, sagt die Linke Halina Wawzyniak, die nach acht Jahren jetzt den Bundestag verlässt. Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, findet Barley „sympathisch, aufgeschlossen und echt“.
Authentizität und Frohsinn, Eigenschaften, die bei WählerInnen ankommen, reichen bei der SPD aber offensichtlich nicht aus, um nicht unvermittelt von Posten geschubst zu werden. Bei Barley war es der der Generalsekretärin. Eineinhalb Jahre lang, von Ende 2015 bis Juni 2017, hat sie die Partei gemanagt, hat Landtagswahlen koordiniert und den Sozialdemokraten ein heiteres Gesicht gegeben.
Doch dann wurde Barleys Vorgängerin Manuela Schwesig in ihrem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern Ministerpräsidentin – und es musste eine neue Familienministerin her. Rasch hieß es in der SPD, Barley solle das machen, die Parteispitze war nicht zufrieden mit ihr. Zu lasch sei sie, nicht angriffslustig genug, so was. Barley wollte nicht, der Job als Generalsekretärin gefiel ihr gut. Aber das war der Parteispitze egal, die Frau musste einem Mann weichen, jetzt ist Hubertus Heil Generalsekretär. Dem bescheinigt man mehr Beißreflexe.
Eine schwierige Nachfolge
Bei den Sozialdemokraten ist es kein Geheimnis, dass Barley mit dieser Personalrochade todunglücklich war. Heute aber lächelt sie das weg und lobt den „Hubi“ in höchsten Tönen. Dass der das Amt perfekt ausfülle und ein super Nachfolger für sie sei. Angesichts des desaströsen TV-Duells zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz darf man das bezweifeln. Aber Parteiräson ist eben Parteiräson.
Nun, als Familienministerin, steckt Barley in einem weiteren Dilemma: Überall, wo sie hinkommt, bei allem, was sie macht, steht jetzt zwar Barley drauf, aber ist nicht Barley drin.
Sie ist erst seit dreieinhalb Monaten Ministerin, ihre Vorgängerin Schwesig hat als Frauen- und Familienministerin alles abgeräumt, was abzuräumen war in den vergangenen Jahren: Frauenquote, den Passus „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht, Prostituiertenschutzgesetz, ausgeweiterter Unterhaltsvorschuss, Entgelttransparenzgesetz, Elterngeld Plus. Barley weiß das, sie sagt: „Man kann ja nicht so viel machen in vier Monaten.“
Da ist es vielleicht ganz gut, dass Mütter aus Syrien, Afghanistan und Albanien, die Barley in Erfurt trifft, von der Ministerin wissen wollen, wie man die eigenen Männer dazu bringt, mehr im Haushalt zu machen. Barley lacht – was sonst – und schlägt vor: „Man kann das gut zusammen machen, einer spült, der andere trocknet ab. Dabei kann man sich gut unterhalten.“ Und schiebt hinterher, dass sie über ein Programm nachdenken könnte, das Männern zeigt, „dass es Spaß macht, sich um Haushalt und Kinder zu kümmern.“
Wie finanziert man so ein Leben?
Die geflüchteten Frauen, die sich in Erfurt zur Altenpflegerin, Sozialbetreuerin, Schulbegleiterin ausbilden lassen, haben noch ein anderes Anliegen: Sie würden gern einen Führerschein machen, in Persisch. Menschen mit Migrationshintergrund, die hierzulande Auto fahren lernen, können das in Englisch tun, in Russisch, Arabisch, Türkisch. Aber eben nicht in Persisch. „Ein Problem“, sagt Barley. Sie wirkt erschöpft, der Tag war lang. Doch dann lächelt sie und wendet sich den Frauen zu: „Geben Sie mir mal Ihre E-Mail-Adressen, ich frage beim Verkehrsminister nach.“
Später, zurück im Kleinbus, wird sie erzählen, wie beeindruckend und zuversichtlich sie die migrantischen Mütter fand. Frauen mit einem sinnbildlichen „Rucksack“, der eine Last ist, den sie aber tragen.
Das Bild gefällt ihr. Das hat auch was mit ihrem eigenen Leben zu tun. Als sich Barley und ihr Mann trennten, stand sie plötzlich allein da mit den beiden Söhnen und einer halben Stelle. Wie finanziert man so ein Leben? Wie kriegt man es hin, als Paar getrennt zu sein, aber gemeinsam Eltern zu bleiben?
Wenig Anerkennung
Darüber denkt Barley gerade intensiver nach. Immer mehr Eltern trennen sich und müssen den Umgang mit den Kindern regeln. Manche kriegen das hin, andere nicht. „Es müsste mehr Beratungsangebote für Eltern geben, die dabei sind, sich zu trennen“, sagt sie.
Wie aber will man streitenden ExpartnerInnen erklären, dass sie sich vertragen sollen, um ihre Kinder zu schützen? Schwierig, das weiß Barley. Noch komplizierter wird es, wenn Gewalt im Spiel ist, derzeit sorgt das Umgangsrecht dafür, dass viele Gewalttäter trotzdem ihre Kinder treffen können. Das kann gefährlich sein für die Mütter. Und für die Kinder.
Seit die SPD-Bundestagsfraktion beschlossen hat, das Wechselmodell zu pushen, jene Idee, bei der Kinder getrennter Eltern gleichermaßen zwischen Mutter und Vater pendeln, tobt ein Kampf auf Barleys Facebook-Seite. Mal ist sie die „Väteraktivistin“, dann wieder die „Mütterlobbyistin“, je nach Sichtweise. Schwesig habe sie gewarnt, das Thema anzufassen, sagt Barley. Zu viel Sprengkraft, zu wenig Anerkennung.
Barley hält sich nicht an den Rat. „Das Thema ist völlig unter dem Radar. Das muss man ändern“, sagt sie. Und lacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“