SPD-Chef Bovenschulte über Alternativen: „Besonderer Status im Kreis“
Andreas Bovenschulte erklärt, warum er lieber Bürgermeister von Weyhe als von Bremen werden will – und deswegen als SPD-Chef abtritt.
taz: Herr Bovenschulte, macht es keinen Spaß, Bremer SPD-Chef zu sein?
Andreas Bovenschulte: Doch, riesigen Spaß, aber ein solches Amt ist für mich immer auf Zeit angelegt. Auf Dauer ist die Doppelbelastung aus politischem Ehrenamt und voller Berufstätigkeit doch sehr groß.
Ist es dann tatsächlich attraktiver, Bürgermeister von Weyhe zu werden?
Man soll Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. In Bremen habe ich ein Ehrenamt, in Weyhe bin ich beruflich aktiv. Und der hiesige Gestaltungsspielraum ist durchaus attraktiv! Man kann zum Beispiel über eine Rekommunalisierung der Netze bis hin hier zur Gründung eigener Stadtwerke nachdenken. Zunächst, das muss ich betonen, müsste mich aber erst mal die Weyher SPD nominieren. Und dann bin ich noch lange nicht gewählt.
48, ist Jurist und Erster Gemeinderat von Weyhe, seit 2010 Bremer SPD-Chef, 2012 mit 193 von 203 Stimmen im Amt bestätigt.
Es wird gesagt, dass Sie stattdessen auch Jens Böhrnsen als Bürgermeister von Bremen beerben könnten.
Ich habe intensiv dafür gearbeitet, dass Jens Böhrnsen Bremen möglichst lang als Bürgermeister erhalten bleibt. Und ich freue mich aufrichtig darüber, dass sich diese Frage nie gestellt hat.
Irgendwann braucht jeder einen Nachfolger. Aber kann man in Weyhe tatsächlich das Bürgermeistern für Bremen üben? Der Weg auf den Stuhl des Senatspräsidenten führt doch eher über den Fraktionsvorsitz in der Bürgerschaft.
Weyhe hat 30.000 EinwohnerInnen, das Autokennzeichen DH und neun Ortsteile. Bei Kommunalwahlen holt die SPD stets wesentlich mehr Stimmen als bei Bundestagswahlen. Der derzeitige Bürgermeister Frank Lemmermann (SPD) ist bis Oktober 2014 im Amt, allerdings könnte die Neuwahl schon parallel zur Europawahl am 25. Mai statt finden.
Der Marktplatz von Weyhe (siehe Bild links oben) ist mit 4.225 Quadratmetern größer als dessen Bremer Pendant, zudem findet auf ihm tatsächlich noch ein regelmäßiger Marktbetrieb statt. Das Weyher Theater (rechts unten) gilt mit 70.000 Besuchern pro Saison als erfolgreichste Komödienbühne Norddeutschlands.
Die SPD-Fraktion hat einen hervorragenden Fraktionsvorsitzenden! Und noch mal: Ich habe keine Hintergedanken in Richtung Bremer Rathaus.
Also: Was hat Weyhe, was Bremen nicht hat?
Jetzt sind wir wieder bei den Äpfeln und Birnen ...
Okay, Weyhe hat Johann Heinrich Rumsfeld, den Urahn des berüchtigten Ex-US-Verteidigungsministers, und Louise Ebert, die Frau des ersten deutschen SPD-Kanzlers ...
... nach der unser Frauenzentrum benannt ist.
Andererseits ist Weyhe erst seit 1992 überhaupt eine selbstständige Gemeinde.
Die Gemeinde Weyhe wurde schon 1974 gegründet. Der 1992 eingeführte Titel „Selbstständige Gemeinde“ bedeutet, dass wir einen besonderen Status innerhalb des Kreises haben, in dem wir einen Teil von dessen Aufgaben übernehmen. Deswegen ist der Bürgermeister von Weyhe auch Leiter einer Behörde mit fast 500 Mitarbeitern.
Das sind freilich deutlich mehr Weisungsbefugnisse als Böhrnsen sie hat ...
Dieser rein quantitative Vergleich sagt nichts über die sehr unterschiedliche politische Bedeutung der beiden Ämter aus!
Stimmt, der eine ist Ministerpräsident, der andere eine Art Ortsvorsteher. Sie begründen Ihren Rückzug vom SPD-Landesvorsitz auch damit, dass diese Funktion mit dem Amt des Weyher Bürgermeisters politisch nicht zu vereinbaren sei. Aber stellvertretender Bürgermeister und Bremer Landes-Chef ging bisher doch auch?
Das niedersächsische Kommunalrecht ist kompliziert: Ich bin nicht stellvertretender Bürgermeister, sondern allgemeiner Stellvertreter des Bürgermeisters in allen Verwaltungsangelegenheiten.
Als richtiger Bürgermeister wäre die Gewerbesteuer-Konkurrenz mit Bremen zu brenzlig?
Bremen und Weyhe haben ein hervorragendes Verhältnis. Aber als Bürgermeister wäre ich in der Tat auch für alle Fragen von Wirtschaftsansiedlung zuständig – und dann wäre es schwierig, den Anschein eines Interessenkonflikts zu vermeiden.
Von Weyhe aus werden Sie bundesweit nicht mehr mitmischen. Zuletzt haben Sie immerhin initiiert, dass eine Partei-Mitgliederbefragung über die Große Koalition in Berlin entscheidet.
Als politisch denkender Mensch werde ich mich weiter einmischen, nur mit einer anderen, zugegeben nicht so herausragenden Rolle. Und auch die kommunale Ebene hat reichlich Berührungspunkte mit den anderen staatlichen Ebenen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf
Türkei und Israel nach Assad-Sturz
Begehrlichkeiten von Norden und Süden