SPD-ABGEORDNETE MÜSSEN SICH ZU ILLEGALEN SPENDEN ERKLÄREN: Eine Frage der Ehre
Aus Köln, wo’s ehedem für die Sozis so bequem, vernehmen wir eine erschreckende Nachricht: Abgeordnete aller Ebenen der SPD sollen eine Ehrenerklärung des Inhalts unterzeichnen, dass sie niemals Spendenquittungen für nicht geleistete Zahlungen entgegengenommen hätten. Bislang war es üblich, Ehrenerklärungen für jemand anderen, juristisch gesprochen für Dritte abzugeben. Zum Beispiel: „Zu dem konkreten Fall kann ich mich nicht äußern, aber mir ist Genosse X seit Jahrzehnten als aufopferungsvoller und gänzlich uneigennütziger Parteiarbeiter bekannt.“ Wie aber soll X eine solche Ehrenerklärung in eigener Sache tätigen? Soll er sich in die Brust werfen und seine Erklärung mit den Worten „Bei meiner Ehre“ beginnen?
Selbstverständlich nicht. Er soll einfach nur ein Revers, eine vorgedruckte Erklärung unterzeichnen. Solche Revers hatten für die Sozialdemokraten wie die ihnen verbundenen Gewerkschafter in der Vergangenheit eine nützliche Funktion. Sie schützten vor Unterwanderung durch linke, subversive Elemente. Damals wie heute gilt: Wer wahrheitswidrig das Revers unterzeichnet, fliegt.
Warum aber kommt jetzt plötzlich die Ehre ins Spiel? Ganz einfach, das Revers wird aufgeladen, der Unterzeichnende soll in seiner Eigenschaft als Träger von Werten am Kragen gepackt werden. Das Ehrenwort scheint für diese Übung zu abgenutzt, in den diversen Skandalen zu „beschädigt“. Also muss die Ehrenerklärung her, die gegenüber dem Ehrenwort einen feierlich-förmlichen Klang aufweist. Oder wird geradezu umgekehrt die Ehrenerklärung als abgemilderte Form des Ehrenworts verstanden, um die Unterzeichnung des Revers zu erleichtern? Hier besteht Klärungsbedarf!
Bekanntlich ragt der Begriff der Ehre aus feudalen Zeiten in unsere lichte demokratische Gegenwart. Die Ehre kam früher einer Person zu, war statusgebunden. Mit einem Proletarier duellierte sich kein Reserveoffizier, denn dessen Ehre war durch eine Person niedrigen Standes nicht zu beleidigen. Dummerweise sickerten Ehrvorstellungen auch in die Arbeiterbewegung ein, so dass die verblichene SED zwecks Steigerung der Produktion an die „Arbeiterehre“ appellieren konnte, ohne auf allgemeine Heiterkeit zu stoßen. Auch im Westen gebot die „Arbeiterehre“, Pfusch zu vermeiden, „ehrliche Arbeit“ zu leisten.
Zwar ist die SPD schon längst Volkspartei, aber die sozialdemokratischen Funktionäre und Mandatsträger haben eben noch ihre besondere Ehre. Sonst könnten sie einfach eine eidesstattliche Erklärung abgeben, wie das deutsche Recht sie für diese Fälle vorsieht. CHRISTIAN SEMLER
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