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SERBIEN TREIBT VON EUROPA WEG HINEIN IN DIE ISOLATIONBöses Zeichen aus Belgrad

Europa oder Isolation? Kampf für das Kosovo oder Zusammenarbeit mit Brüssel und Washington? Internationale Investitionen oder Verweigerung, mit dem UN-Tribunal für Kriegsverbrechen zusammenzuarbeiten? Sieben Jahre nach der Wende in Serbien werden diese Fragen wieder gestellt. Und die ultranationalistische „Serbische Radikale Partei“ (SRS) ist wieder die mit Abstand stärkste Partei in Serbien. Und die Wahl von SRS-Chef Tomislav Nikolić zum Parlamentspräsidenten ist ein böses Zeichen, dass sich Serbien wieder in eine Selbstisolation manövriert. Kriege, Verwüstungen, internationale Sanktionen, Hyperinflationen, Armut, riesige Schlangen vor Lebensmittelgeschäften während der Machtära der Radikalen und Slobodan Milošević, das alles scheint aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen worden zu sein.

Die proeuropäischen Kräfte in Serbien haben es zwar geschafft, Milošević physisch zu entfernen. Sein Wertsystem aber hat überlebt. Der national-konservative Interimspremier, Vojislav Koštunica, hat sich als das Trojanische Pferd im sogenannten demokratischen Lager erwiesen. Zuerst hat er die Milošević-Sozialisten (SPS) rehabilitiert, als sie vor drei Jahren seine Minderheitsregierung unterstützten. Nun hat er das auch mit der SRS getan, die Freiwillige gesammelt, bewaffnet und in den Krieg für Volk und Vaterland an die Fronten in Kroatien, Bosnien und Kosovo geschickt hat. Koštunica, der Milošević bei den entscheidenden Präsidentschaftswahlen vor sieben Jahren geschlagen hatte, hat sich als der modifizierte Nachfolger seiner Ideologie erwiesen.

Vergebens übte Brüssel Druck auf die „demokratischen Parteien“ in Serbien aus, sich auf eine proeuropäische Regierung zu einigen. Gutwillig forderte man Koštunica und den prowestlichen Staatspräsidenten Boris Tadić auf, sich zu einigen und gemeinsam Serbien Richtung Europa zu führen. Rationale Argumente kamen in einer auf Mythen aufgebauten Gesellschaft, in einer irrationalen, überhitzten Stimmung, in der wieder von „Blut und Boden“ geredet wird, nicht an.

ANDREJ IVANJI

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