Ryan Gosling & Emily Blunt in „Fall Guy“: Schicksalsschlag eines Stuntmans
Ryan Gosling und Emily Blunt als ironisches Traumpaar: Die Retro-Action-Liebeskomödie „Der Fall Guy“ dreht sich um Stunts und ist ein großer Spaß.
Gegen die ominöse Bedrohung durch all das Virtuelle, Digitale da draußen bildet der Stuntman einen von rebellischem Flair umwehten Gegenpol: einen, der mit seinem Körper dafür einsteht, dass die Gesetze der Physik noch gelten.
Vor allem die „Stunt Performer“, jene Figuren an der Seite des Bildes, die aus dem Weg springen müssen, wenn der Wagen des Helden sich überschlägt, sehen zunehmend ihren Job von einer künstlichen Intelligenz gefährdet, die eingescannte Schauspieler*innen als Avatare beliebig recyclen können wird. Noch ist diese Zukunft nicht ganz da.
Die Tatsache, dass die Stunt-Auftritte von Tom Cruise mittlerweile zum Hauptwerbepunkt für seine Filme geworden sind, oder auch der Erfolg von aus Stunt-Choreografien bestehenden Action-Thrillern wie „John Wick“ bekommen vor diesem Hintergrund den melancholischen Unterton eines Abschieds.
Kein Wunder also, dass die gewisse Wehmut der Nostalgie auch in „The Fall Guy“ den Ton angibt. Zumal David Leitch, der selbst mal als Stuntman für Schauspieler wie Brad Pitt oder Jean-Claude Van Damme tätig war und beim ersten „John Wick“-Film Koregie führte, die Prämisse einer 80er-Jahre-Serie aufgreift. Wo in „Ein Colt für alle Fälle“ Stuntman Colt Seavers sich noch als Kopfgeldjäger ein Zubrot verdienen musste, lernt man Ryan Gosling in der Rolle als einen Vollprofi kennen, der am Set von allen geschätzt wird.
„The Fall Guy“. Regie: David Leitch. Mit Ryan Gosling, Emily Blunt u.a. USA 2024, 125 Min.
Der Star namens Tom Ryder, den er doubelt – von Aaron Taylor-Johnson so passgenau zwischen den entsprechenden Hollywood-Größen verkörpert, dass niemand sich gemeint fühlen muss –, behandelt ihn zwar von oben herab, doch dafür ist ihm die Kameraassistentin Jody (Emily Blunt) umso mehr zugetan. „The Fall Guy“ beginnt mit Szenen während eines Filmdrehs, die Colt an einem guten Punkt in seinem Leben zeigen. Doch dann fällt er. Und weil eine Sicherung versagt, bricht er sich diesmal fast das Genick.
Actionfilm und Romcom
Man kann gut verstehen, dass der Filmverleih „The Fall Guy“ nicht unter dem deutschen Titel der Serie vermarktet. Der Originaltitel ist mit all seinen Konnotationen einfach zu schön. Denn das Fallen ist nicht nur ein Teil von Colts Arbeit. Der „fall guy“ zu sein, hat im Englischen zusätzlich die Bedeutung, die Rolle des Sündenbocks zu übernehmen. Und wo die Auftaktszene im übertragenen Sinn einen „Fall“ im Sinn von Schicksalsschlag zeigt, dreht sich die Handlung im Hauptteil des Films rund um die Prämisse des Einspringens für andere.
Nach seinem Unfall zieht sich Colt zurück, von der Arbeit in Hollywood genauso wie von der Beziehung zu Jody. Ein Anruf der Produzentin Gail Meyer (Hannah Waddingham) holt ihn aus dem selbstgewählten Exil. Er soll erneut für Tom Ryder doubeln, diesmal im Debütfilm der zur Regisseurin aufgestiegenen Jody, einem Sci-Fi-Western mit dem hübschen Titel „Metalstorm“. Gail lässt ihn in dem Glauben, Jody selbst habe nach ihm gefragt.
Als er dann auf dem Set in Australien auftaucht, muss er feststellen, dass sie gar nicht mit ihm gerechnet hat. Und wo man sich eben noch in einem Actionfilm mit Hollywood-Satire-Einschlag wähnte, sieht man sich in eine Romcom versetzt.
Fast alles an „The Fall Guy“ beruht auf bereits vertrauten Ideen. Das gilt nicht nur für den Plot, der reich an Wendungen, aber arm an Überraschungen ist, sondern besonders für die Figuren. Die Klischees sind alle ein bisschen alt: Hollywood-Star Tom Ryder ist aufgeblasen und eitel, Produzentin Gail bis zur Bizarrerie skrupellos, Stunt-Koordinator Dan (Winston Duke) loyal und kompetent, Assistentin Alma (Stephanie Hsu) überarbeitet und unterschätzt. Die originellste Idee ist noch ein Hund namens Jean-Claude, der nur Französisch versteht.
Raumfüllendes Charisma
Viel Gelegenheit zur Entfaltung bekommt keiner von ihnen, was zum einen an den elaborierten Stunt-Szenen liegt, die mehr als Hommage dienen, als dass sie die Handlung voranbringen. Und am raumfüllenden Charisma der beiden Hauptdarsteller Ryan Gosling und Emily Blunt, die sich zu einem echten Traumpaar ergänzen. Da beide – Gosling als Ken in „Barbie“, Blunt als Ehefrau Kitty in „Oppenheimer“ – Teil des „Barbenheimer“-Phänomens waren, lässt sich marketingtechnisch gut an die Kinoerfolge des vergangenen Jahrs anschließen.
Was neu scheint an „Fall Guy“, ist dagegen der schamlos zur Schau getragene Wille zur leichten, sozusagen locker-flockigen Unterhaltung. Man muss kein „Worldbuilding“ verfolgen, es gibt keine Trauma-Story im Hintergrund, kein altes Unrecht wird berichtigt. Zwar kann man den nostalgischen Rahmen – untermalt von einem Soundtrack, bei dem der Kiss-Hit „I Was Made For Lovin’ You“ zum Ohrwurm wird – und das Feiern der Stunts als physische Arbeit als Kritik an AI und Digitaleffekten begreifen, aber im Vordergrund dieser Retro-Action-Liebeskomödie steht einfach nur der Spaß. Stimmt es, dass das nur noch selten der Fall scheint?
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