Russischer Dissident nur kurz frei: Nawalny erneut festgenommen
Am Dienstag morgen war Alexej Nawalny zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt worden. Nun inhaftierte ihn die Polizei auf dem Weg zu einer Demonstration in Moskau.
MOSKAU ap | Kurz nach seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe ist der führende russische Oppositionelle Alexej Nawalny auf dem Weg zu einer kremlkritischen Demonstration in Moskau festgenommen worden. Der unabhängige Fernsehsender Doschd übertrug am Dienstag Bilder von der Festnahme des 38-jährigen Anwalts und Bloggers auf offener Straße. Nawalny steht seit Februar unter Hausarrest. Polizisten packten ihn in der Nähe des Maneschnaja-Platzes unweit des Kremls und bugsierten ihn in einen Polizeibus.
Auf dem Platz versammelten sich derweil mehrere hundert Menschen zu einer Demonstration gegen das Urteil. Ein Gericht in Moskau hatte Alexej Nawalny am Dienstag wegen Betrugs zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Sein Bruder Oleg Nawalny muss für den gleichen Zeitraum ins Gefängnis.
Die Europäische Union kritisierte das Urteil. Es „scheint eine politische Motivation zu haben“, erklärte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel. „Die Anschuldigungen gegen sie wurden während des Prozesses nicht untermauert“, hieß es in der schriftlichen Stellungnahme. „Mit Ausnahme einiger ausgewählter Medienvertreter hatten weder die Öffentlichkeit noch internationale Beobachter Zugang zum Gericht zur Verlesung des Urteils.“
Die Brüder sollen laut Anklage den französischen Kosmetikkonzern Yves Rocher um fast 27 Millionen Rubel (laut damaligem Wechselkurs knapp eine halbe Million Euro) betrogen haben, als das Unternehmen ihren Vertriebsdienst benutzte.
Der prominente Blogger und Anwalt Alexej Nawalny weist die Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Der 38-Jährige rief seine Unterstützer auf, sich am Dienstag an einer Demonstration gegen Präsident Wladimir Putin im Zentrum von Moskau zu beteiligen.
Am Nachmittag machte sich Nawalny trotz seines Hausarrests nach eigenen Angaben selbst auf den Weg zur Demonstration. „Ja, der Hausarrest gilt noch, aber heute habe ich zu große Lust bei Euch zu sein“, teilte er im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. „Deshalb werde ich auch zur Demonstration gehen.“ Die Moskauer Behörden hatten zuvor angekündigt, die Polizei werde „jede nicht genehmigte Kundgebung“ auflösen. Im sozialen Online-Netzwerk Facebook hatten 18.000 Menschen ihre Teilnahme angekündigt.
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