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Russische Regierung und „Fake News“Den Spieß umdrehen

Mit einem neuen Projekt auf seiner Website prangert das russische Außenministerium angebliche Lügen westlicher Medien an. Nachweise gibt es keine.

Fake, Fake, Fake: Was wird hier eigentlich entlarvt? Screenshot: Website des russischen Außenministeriums

Berlin taz | Seit dem Amtsantritt von Donald Trump wissen wir, was von den US-Medien zu halten ist. Dreckschleudern sind sie, mit nichts anderem beschäftigt als „Fake-News“ zu verbreiten. Und das kommt selbstverständlich einem Vaterlandsverrat gleich.

Doch jetzt schlägt Russland zurück. Vor wenigen Tagen hat das Moskauer Außenministerium auf seiner Website ein neues Projekt gestartet. Unter dem Titel „Beispiele für Publikationen, die falsche Informationen über Russland verbreiten“ wurden die ersten fünf Übeltäter dingfest gemacht. Dies sind NBC News, The Telegraph, The New York Times, Bloomberg und der Santa Monica Observer – eine Website in Kalifornien.

Im Falle von NBC News geht es um einen Beitrag, der unter Berufung auf Informationen von US-Geheimdiensten darüber sinniert, ob Russland den Whistleblower Edward Snowden nicht an die USA überstellen könnte – als Geschenk für Herrn Trump sozusagen. Bloomberg hatte über Beschwerden des französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron berichtet, Russland versuche über Hacker auf dessen Kampagne negativ Einfluss zu nehmen.

Die New York Times unterrichtete ihre LeserInnen darüber, dass Russland einen neuen Marschflugkörper stationiert habe. Das stelle einen klaren Verstoß gegen den INF-Vertrag zwischen Russland und den USA vom 8. Dezember 1987 über nukleare Mittelstreckensysteme dar. Dieser sieht die Vernichtung aller Flugkörper mit mittlerer und kürzerer Reichweite sowie deren Produktionsverbot vor.

Mordkomplott in Montenegro

Der Telegraph klärte darüber auf, dass Russland im vergangenen Jahr Drahtzieher eines Komplottes gewesen sein soll mit dem Ziele, den montenegrinischen Regierungschef Milo Djukanovic am 16. Oktober 2016, am Tag der Parlamentswahlen, zu ermorden. Der Balkanstaat Montenegro ist im Begriff der Nato beizutreten. Eine Zustimmung vonseiten der USA steht noch aus.

Der Santa Monica Observer befasste sich mit dem Ableben des russischen Botschafters bei den UN, Witali Schurkin, am 20. Februar 2017 in New York. Unter Bezugnahme auf Verschwörungstheorien auf Twitter bemerkte die Webseite Schurkin sei bereits der fünfte russische Diplomat innerhalb von drei Monaten, der unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen sei.

Alle diese Beträge sind, laut russischem Außenministerium, Fake-News und mit einem entsprechen roten Stempel versehen. Eine weitere Auseinandersetzung mit den Inhalten findet nicht statt. Warum auch? Der magere Satz unter dem jeweiligen Text „In diesem Material werden Angaben verbreitet, die nicht der Wirklichkeit entsprechen“, genügt offenbar.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zacharowa, erläuterte Journalisten in Moskau Sinn und Zweck der neuen Website. Moskau habe jetzt den Spieß in Richtung Westen umgedreht, wo Amtspersonen und Medien Russland und Kreml-loyale Medien beschuldigt hätten, mit Lügen hausieren zu gehen. Und: „Lasst uns mal die Rollen tauschen. Dann werdet Ihr sehen, wie schwierig es ist, Eure Fälle zu beweisen“, sagte sie.

In einem Kommentar des Blogs „Die vertikale Macht“ auf der Website von Radio Free Europe heißt es zu Moskaus neuen Projekt: „Einfach die andere Seite dessen beschuldigen, was man selbst auch tut. Da muss nichts bewiesen werden. Einfach anklagen, das aber laut und beharrlich. Das Kurzzeitgedächtnis erledigt den Rest. Mit einem Augenzwinkern sagen: Wir sind alle gleich unehrlich und wir sind alle das Gleiche.“

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2 Kommentare

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  • 3G
    37818 (Profil gelöscht)

    Schade, ich dachte die taz wäre mit ihrer Russland-Berichterstattung endlich einen Schritt weiter, das heißt objektiver.

    Ich halte diese Wortwahl für schlecht:

    1. "Die New York Times unterrichtete ihre LeserInnen darüber ..." Hätte heißen müssen: "Die New York Times behauptete ...".

    2. "Der Telegraph klärte darüber auf ...". Hätte ebenfalls heißen müssen: "Der Telegraph behauptete ...".

    In beiden Fällen geht es um ziemlich abenteuerliche Unterstellungen, die von Russland abgestritten werden. Wir können an dieser Stelle nicht abschließend beurteilen, was wahr ist und was nicht. Beim zweiten Beispiel müsste sich ein Gericht damit befassen, denn es geht ja um nicht weniger als versuchten Mord. Warum wählt die taz dann absichtlich eine Sprache, die den Unterstellungen von New York Times und Telegraph mehr Seriosität unterstellt, als der betroffenen russischen Seite? Die Glaubwürdigkeit von diesen Zeitungen und leider auch der taz hat durch die kalte Kriegsberichterstattung der letzten Jahre doch schon längst ihre gesamte Glaubwürdigkeit verloren. Da haben die Russen schon recht, wenn sie das als Fake-News klassifizieren.

  • Et vice versa

     

    Zitat: „Eine weitere Auseinandersetzung mit den Inhalten findet nicht statt.“

     

    Ebensowenig wie in diesem StratCom-inspirierten Beitrag. Warum auch? Ein mitgedachter pauschaler Satz zu dem jeweiligen Text, dieser würde der Wahrheit entsprechen, nichts als der lauteren Wahrheit, genügt offenbar. Und für all das ausgerechnet auch Radio Free Europe als Kronzeugen heranzuziehen, heißt den Bock zum Gärtner machen. Das wäre dasselbe, als würde der Fuchs den Gänsen versichern, er sein Vegetarier.