Russische Propaganda in Social Media: Schlechtes Schauspiel
In einem Video stürmen russische Schauspieler*innen in Bundeswehruniform ein Haus und hängen ein Selenski-Porträt auf. Peinliche Propaganda.

Die ungebetenen Gäste nehmen sämtliche Gegenstände aus der Wohnung mit – augenscheinlich dem Wert nach eher aus dem Niedrigpreissegment. An die Wand wird ein großes Portät des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski gehängt, begleitet von dem Kommentar „Heil Selenski!“ Doch darin erschöpfen sich die frommen Botschaften nicht. „Ist dein Haus in der Nato? Akzeptiere die Nato in deinem Haus“, heißt es. Diese Sätze zeugen nicht eben von Sprachkompetenz. Auch die Übersetzung ins Englische und Russische macht’s nicht besser. Dann werden die Betrachter*innen auch noch mit der Information versorgt, dass seit Anfang 2022 bereits mehr als 22 Milliarden Euro aus dem deutschen Haushalt an die Ukraine geflossen seien.
Suche nach dem Urheber
Jetzt ist das große Rätselraten auf Social Media in vollem Gange. Wer steckt hinter diesem Video und an wen richtet es sich? Handelt es sich vielleicht um eine Art von „sozialer Reklame“ in eigener Sache, deren Urheberin die AfD ist, wie einige vermuten?
Dem Journalisten Mark Krutow von Radio Free Europe sowie dem Faktchecker Ilja Ber verdanken wir interessante Erkenntnisse. Beide identifizierten in dem Video alle Darsteller*innen als Russ*innen, die in der Russischen Föderation (noch) ihren Wohnsitz haben. Das legt den Schluss nahe, dass auch das Video in Russland fabriziert wurde.
Nun werden ja Teilen der AfD gemeinhin gute Drähte nach Moskau nachgesagt. Warum also nicht ein bisschen freundliche Produktionshilfe, wenn es denn der Wahrheitsfindung dient?
Nun gut. Die AfD ist gegen den Krieg in der Ukraine, die um des lieben Friedens willen zu opfern für sie kein Problem ist. Das schließt Stimmungsmache gegen ukrainische Geflüchtete sowie Waffenlieferungen an Kyjiw genauso ein wie Kritik an der bösen Nato. Aber ein veritabler Führer an sich – das ist der feuchte Traum so mancher AfDler*innen.
Offensichtlich passt da einiges nicht ganz zusammen.
Schwächeln an der Fake-Front
Also russischsprachige Menschen, zum Beispiel in Deutschland, als Zielpublikum? Das erscheint so abwegig nicht, denn die Inhalte dürften vielen bekannt vorkommen. Selenski ist ein Faschist, genauso wie die Bundeswehr als Teil des kollektiven Westens – läuft. Die Nato als Inkarnation des Bösen und eigentlich dafür verantwortlich, dass Russland gegen die Ukraine in den Krieg ziehen musste – genau. Präsident Wladimir Putin an jeder Wand – kennt man. Zwar ist diese Art Personenkult aus der Ukraine nicht überliefert, aber das spielt keine Rolle.
Bleiben noch die Mitnahmeeffekte von „Hausbegehungen“ bei Privatpersonen durch Soldaten. Putins Männer sind da nicht kleinlich. Es wird entwendet, was nicht niet- und nagelfest ist (inklusive Lebensmittel). Wenn mal eine Waschmaschine oder ein Flachbildschirm dabei ist – umso besser. Und überhaupt: Die Ukrainer*innen, allesamt Nazis, haben es nicht besser verdient, haben sie doch sogar in den Dörfern asphaltierte Straßen.
Dererlei Déjà-vus könnten allerdings auch einen anderen Effekt haben und zum Augenöffner mutieren. Aber sollten die Video-Macher*innen sich selbst dargestellt haben, ohne das zu merken? Wenn das so wäre, hieße das Fazit: Russland schwächelt jetzt sogar schon an der Fake-Front. Das wäre eine gute Nachricht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?