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Russische Exilanten in Armenien„Jedem Anfang wohnt Zauber inne“

Unserem russischen Autor wurde die Einreise nach Georgien verweigert, wo er im Exil lebt. Jetzt muss er wieder neu beginnen: in Armenien.

Jerewan, Armenien, aus der Vogelperspektive Foto: Walter Bibikow/imago

A m Flughafen von Jerewan sehe ich junge russische Männer mit Blumen. Fast sicher sind das die, die gleich nach Kriegsausbruch oder Beginn der Teilmobilisierung das Land verlasen haben. Sie treffen sich hier mit ihren Frauen und Müttern. Jerewan ist heute ein Ort, an dem man sich trifft. Hierher kommen diejenigen, die in Russland geblieben sind, um diejenigen wiederzusehen, die das Land verlassen mussten und für die eine Rückkehr nach Russland gefährlich wäre.

Война и мир – дневник

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„Warst Du schon im Matenadaran? Das fragt einen hier wirklich jeder. Es ist ein Aufbewahrungsort für alte Schriften, das wichtigste Museum des Landes. Hier kann man tausende von Dokumenten, Büchern und Miniaturen betrachten, von mittelalterlichen Schlachten, Szenen aus dem Evangelium und blühenden Gärten.

Das Land, das im Verlauf seiner Geschichte Kriege und Katastrophen erlebt hat, ist seit Generationen darauf bedacht, seine Bücher, d. h. seine Geschichte und sein Gedächtnis zu bewahren. Um etwas zu haben, auf das es sich stützen kann.

Mein Großvater pflegte zu sagen: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Ich wiederhole diesen Satz die ganze Zeit, während ich in Jerewan lebe. Es ist, als würde hier gerade eine Zukunft entstehen: die Hoffnungen Tausender Ankömmlinge, neue Baustellen, neues Geld, jeden Tag neue Entdeckungen, von Cafés bis zu Schulen. Das ganze Land versucht, sich neu zu erfinden.

Bild: privat
Filipp Dzyadko

Schriftsteller, Philologe, Gründer von Bildungsprojekten und Autor des Romans „Radio Martyn“ sowie eines Bandes zeitgenössischer russischer Lyrik „Mit den Augen der Eidechse“

Hier habe ich auch zum ersten Mal den Ausdruck „russisch-ukrainischer Krieg“ gehört. In Russland und Georgien sagt man einfach „Krieg“. Das erfordert keine Ergänzung. Aber hier haben sie ihren eigenen Krieg, den sie den „unbemerkten“ nennen. Hier kann man Plakate mit der Aufschrift „We stand with Arzach“ (Bergkarabach) sehen. Seit einigen Monaten wird der Zugang zu dem Gebiet, auf dem Zehntausende Armenier leben, vom benachbarten Aserbaidschan blockiert. Und die Nähe des Krieges fühlt man hier. Hier blicken Soldaten auf den Ararat, dort kommen schwarz gekleidete alte Frauen zu eleganten Cafébesuchern, um sie um Geld für eine Beerdigung zu bitten.

Die anstehenden Entscheidungen diesen Krieg und zu Arzach betreffend. Die Gespräche darüber, dass das Land auf der Schwelle eines revolutionären Bündnisses mit der Türkei stehe, die seit Jahrzehnten der Feind war. Zehntausende vor Putin aus Russland geflohene Menschen. Tektonische Verschiebungen und Möglichkeiten. Man wünscht sich sehr, dass Armenien es schaffen werde.

„Uns gibt es nicht auf der Weltkarte, wir sind nur uns selber wichtig. Aber darin liegt auch Hoffnung. Denn wir sind ein märchenhaftes Land im Wandel“, sagte mir einer meiner armenischen Freunde. Der, von dem ich mich ins Museum fahren ließ, um mir dort die alten Miniaturen anzuschauen.

Wenn man drei Stunden zwischen alten Handschriften verbracht hat und dann auf die Straße kommt, die in den verschiedensten rosafarbenen Schattierungen leuchtet – dann sind das blühende Aprikosen-, Apfel- und Pflaumenbäume. Und man fühlt sich, als sei man selbst Teil einer Miniatur in einem alten Buch. Und auf den nächsten Seiten sind Kinder, die vor der Diktatur geflohen sind, Feste in den Höfen und ein Gefühl von Liebe, das in der Luft liegt.

Wovon handelt denn dieses Buch? Davon, dass man im Leben immer wieder von vorne beginnen kann? Davon, dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.

Der Sammelband „Krieg und Frieden. Ein Tagebuch“ ist im Verlag Edition fotoTAPETA erschienen und kostet 10 Euro.

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