Russisch-türkische Gespräche in Sotschi: Kein neuer Getreidedeal
Erdoğan und Putin verhandelten über die Rückkehr zum Getreidedeal mit der Ukraine. Putin fordert, dass der Westen seine Sanktionen aufhebt.
Bei einem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im russischen Sotschi gingen die Verhandlungen über ein neues Getreideabkommen ohne eine formale Übereinkunft zu Ende. Putin wiederholte am Montag seine Vorwürfe, dass die versprochene Erleichterung für die gleichzeitige Ausfuhr russischen Getreides vom Westen nicht eingehalten worden sei.
Stattdessen hatte Russland nun vorgeschlagen, man könne die ärmsten afrikanischen Länder, die dringend auf Getreide angewiesen sind, auch mit russischem Weizen versorgen. Russland würde dazu eine Million Tonnen zu einem geringen Preis zur Verfügung stellen. Dieses Getreide solle in der Türkei verarbeitet und dann an sechs afrikanische Länder weitergeleitet werden. Es ist im Gespräch, dass Katar die Kosten für den Transport und die Verarbeitung des Getreides übernimmt.
Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen in Sotschi machte Erdoğan klar, dass er diese Initiative unterstützen will. Man sei kurz davor, einen entsprechenden Vertrag zu unterzeichnen. Putin unterstrich noch einmal, dass Russland zu dem ursprünglichen Getreidehandel zurückkehren würde, wenn der Westen die Sanktionen gegen russische Getreideexporte wie versprochen aufheben würde.
Bei dem ursprünglichen Getreidehandel sei nur 6 Prozent an die ärmsten afrikanischen Länder gegangen, sagte Erdoğan. Er will das russische Getreide nun in der Türkei zu Mehl verarbeiten lassen, bevor es dann an sechs der ärmsten afrikanischen Länder weitergeschickt wird. Das ersetze zwar das ursprüngliche Getreideabkommen nicht, könne aber die dringendsten Probleme in Afrika lösen. Putin hatte vor einem Monat ein Gipfeltreffen mit afrikanischen Staaten in Petersburg veranstaltet, wo Russlands Rückzug vom Getreidehandel kritisiert worden war.
Erdoğans Rolle als Vermittler
Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan kennen sich beide sehr gut. Trotz gegenteiliger Interessen in Syrien und im Südkaukasus haben sie immer wieder gezeigt, dass sie dennoch zu Übereinkommen kommen konnten, die letztlich beiden Seiten nutzten. Aus dieser Erfahrung heraus hat der türkische Präsident Erdoğan von Beginn an den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt, sich aber dennoch geweigert, die Türkei in das westliche Sanktionssystem gegen Russland einzubinden. Gleichzeitig hat Erdoğan von Beginn an versucht, als Friedensmakler zwischen der Ukraine und Russland aufzutreten.
Zuletzt verlegte sich Erdoğan auf humanitäre Missionen zum Gefangenenaustausch und das Abkommen zum Getreidetransport. Die türkische Marine baute ein Kontrollzentrum im Schwarzen Meer auf, das sowohl ukrainische wie russische Vertreter zur Inspektion der Schiffe nutzen konnten, die aus der Ukraine kamen oder dorthin unterwegs waren, um Getreidelieferungen abzuholen. Erdoğan betrachtete dieses Abkommen als neuerlichen Einstieg in echte Verhandlungen zwischen den beiden Staaten und setzte sich deshalb stark dafür ein, dass es immer wieder verlängert wurde.
Nachdem Putin nun im Frühjahr verkündet hatte, dass Russland sich aus dem Abkommen zurückzieht, hat Erdoğan sowohl allein als auch gemeinsam mit UN-Generalsekretär António Guterres mehrfach versucht, Putin an den Verhandlungstisch zurückzuholen.
Interessen im Energiesektor
Beim Treffen am Montag ging es auch um bilaterale wirtschaftliche Fragen zwischen den beiden Ländern. Erdoğan will die Situation, die durch die westlichen Sanktionen gegen Russland entstanden ist, zum Vorteil der Türkei nutzen und den Handel mit dem nördlichen Nachbarn von aktuell 60 Milliarden Dollar auf 100 Milliarden Dollar im Jahr ausbauen.
Gedacht ist von beiden vor allem an den Energiesektor. Erdoğan bekommt von Putin billiges Erdgas und soll dafür aber helfen, als Transitland nach Südeuropa weiterhin den Verkauf russischen Erdgases an europäische Länder zu ermöglichen. Außerdem wurde in Sotschi diskutiert, dass Russland neben dem bereits im Bau befindlichen AKW an der Mittelmeerküste in Akkuyu ein weiteres Atomkraftwerk am Schwarzen Meer baut. Auch im Rüstungssektor könnte eine türkisch-russische Kooperation entstehen, aber erst nach Ende des Kriegs.
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