Rumänischer Bürgermeister: In Nazi-Uniform zur Modenschau
Der sozialistische Bürgermeister von Constanta trat bei einer Modenschau in Nazi-Uniform auf. Seine Entschuldigung löst antisemitische Hasstiraden im Netz aus.
BERLIN taz | "In erster Linie möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, wenn ich Sie durch meinen Auftritt in der Uniform eines Wehrmachtgenerals bei der Modenschau am 18. Juli in Mamaia beleidigt oder gekränkt habe." Mit diesem pathetischen Satz beginnt ein Brief des sozialistischen Bürgermeisters der rumänischen Schwarzmeerstadt Constanta, Radu Mazare, in dem er bei seinen jüdischen Mitbürgern um Verzeihung bittet.
Sein Auftritt in der Uniform eines Generals der nazideutschen Wehrmacht, in Begleitung seines ebenfalls in der Uniform eines Nazilandsers gekleideten minderjährigen Sohns, wurde von Holocaust-Überlebenden und jüdischen Organisationen mit Entsetzen registriert. Die rumänische Antidiffamierungsorganisation (MCA) protestierte gegen den unerhörten Vorfall und forderte die rumänische Generalstaatsanwaltschaft auf, gegen den Bürgermeister vorzugehen.
In Rumänien wurde vor dem EU-Beitritt 2007 ein Gesetz verabschiedet, das die Verwendung faschistischer Symbole, die Verherrlichung von Kriegsverbrechern und die Verbreitung rechtsradikaler Hetzschriften unter Strafe stellt. Diese Bestimmungen dienen jedoch vor allem der juristischen Imagepflege auf dem europäischen Parkett.
Der im preußischen Stechschritt über den Laufsteg paradierende Bürgermeister inspirierte die Leser diverser rumänischer Zeitungen zu unerhörten antisemitischen Hassausfällen, die in den elektronischen Foren nachzulesen sind. Ein Leser der Zeitung Gândul, der sich vergangenen Donnerstag unter dem Pseudonym "Heil Hitler" zu Wort gemeldet hatte, kommentierte den Fall Mazare, indem er seinen antijüdischen Ressentiments freien Lauf ließ: "Wenn Sie ein Jude sind, verbringen Sie doch diesen Sommer in Auschwitz! Dort erwarten Sie die Schlingen der Vergangenheit. Verlieren Sie allzu viel Zeit an der Börse? Haben Sie zugenommen? Haben Sie Schmerzen in den Gliedern? Wir haben eine Lösung für Sie! Auschwitz Wellness Tours!
Dort können Sie lernen, was Arbeit ist. (…) Hier unsere Angebote: Ein Wochenabonnement für die Gaskammern, in denen Sie die gleichen Augenblicke mehrere Male nachempfinden können. Kostenlose Benutzung des Krematoriums zur Ausscheidung der angesetzten Fettpolster. Ein Bordell, in dem Sie wie in den alten guten Zeiten Jüdinnen erwarten.
Ein Strandbad gefüllt mit Schwefelsäure - zur Ablagerung des Jahrhunderte alten Schmutzes. Für die pädophilen Rabbiner haben wir eine Klasse aus einer Talmudschule aus Israel bereitgestellt. Sonderangebote: Preisreduzierung um 50 Prozent für die Holocaust-Überlebenden; für Kinder unter 18 Jahren ist der Aufenthalt kostenlos. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!"
In den Augen seiner sozialdemokratischen Parteifreunde, die an der Regierung beteiligt sind, ist der Auftritt des Bürgermeisters höchstens ein Kavaliersdelikt. Es ist nicht der erste derartige Ausrutscher eines rumänischen Politikers. Der sozialistische Bürgermeister von Piatra Neamt hatte 2001 Roma in stacheldrahtumzäunte Hühnerställe zwangseinquartieren lassen.
Mit unhaltbaren Äußerungen hatte auch der sozialistische Exstaatschef Ion Iliescu 2003 den Holocaust relativiert. Um sein Image aufzupolieren, setzte er eine Kommission zur Untersuchung des rumänischen Holocaust ein, die 2004 ihren Abschlussbericht vorlegte. Eine Schlussfolgerung besagte, dass das mit Nazideutschland verbündete Rumänien die Verantwortung für den Tod von etwa 380.000 Juden und mindestens 11.000 Roma trägt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu