Rüttgers und die Energiekonzerne: "Schallende Ohrfeige"
Schwarz-Gelb in NRW blockiert die Stadtwerke und sichert so die marktbeherrschende Stellung der vier großen Energiekonzerne, sagt eine Studie der Landesregierung.
BOCHUM taz | Die von Nordrhein-Westfalens schwarz-gelber Landesregierung erst 2007 geänderte Gemeindeordnung behindert den Wettbewerb auf den Energiemärkten. Das ist das Ergebnis einer von der Landesregierung selbst in Auftrag gegebenen Studie des Bochumer Verwaltungsrechtlers Martin Burgi. Ausgerechnet die Stadtwerke der öffentlichen Hand hätten derzeit kaum eine Chance, erfolgreich mit den Angeboten von Großkonzernen aus dem In- und Ausland zu konkurrieren, sagte der Jurist: "Der Rechtsrahmen ist bürokratisch und schwerfällig."
Die von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) geführte Landesregierung hatte die Wirtschaftstätigkeit kommunaler Unternehmen vor zwei Jahren massiv eingeschränkt und war damit dem Motto "Privat vor Staat" des kleinen Koalitionspartners FDP gefolgt. Die kommunalen Stadtwerke dürfen seither nur nach aufwendigen Einzelfallentscheidungen außerhalb der eigenen Gemeindegrenzen tätig werden. "Die Stadtwerke könnten Hechte im Karpfenteich sein, aber wir erlauben ihnen nur, in kleinen Sektoren zu schwimmen", kritisiert der Bochumer Gutachter Burgi. Eine Aufhebung der Gebietsbeschränkungen sei deshalb überfällig.
Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU), die wie Rüttgers die Beschränkung der Wirtschaftstätigkeit der Kommunen 2007 noch uneingeschränkt verteidigt und damit massive Proteste der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und der Gewerkschaften provoziert hatte, schloss sich der Kritik an. Außerhalb der eigenen Gemeindegrenzen bestehe für die Stadtwerke derzeit keine Rechtssicherheit, räumte die Christdemokratin ein - und kündigte eine Gesetzesänderung noch vor den NRW-Landtagswahlen im Mai an.
Gewerkschaften und Opposition halten das allerdings für Wahlkampfgetöse. Thobens geplante Gesetzesänderung ist nicht mit dem Koalitionspartner FDP abgesprochen. "Eine Lachnummer" sei der Vorstoß der Ministerin, heißt es aus der SPD-Landtagsfraktion. Ihr stellvertretender Chef und Energieexperte Norbert Römer spricht von einer "schallenden Ohrfeige für die Regierung Rüttgers".
Der energiepolitische Sprecher der Landtagsgrünen, Reiner Priggen, der seit Jahren vor der marktbeherrschenden Stellung der vier großen Energiekonzerne EnBW, Eon, RWE und Vattenfall warnt, ist sich sicher: "Die Stadtwerke haben von der FDP nichts zu erwarten."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken