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Rüstungstransport nach IsraelFrachtschiff Holger G in der völkerrechtlichen Grauzone

Amnesty International ruft die deutsche Reederei Gerdes dazu auf, ihr Frachtschiff „Holger G“ zu stoppen. Das Schiff bringt Rüstungsgüter nach Israel.

Das Frachtschiff „Holger G“ der Reederei Gerdes Foto: Damen Shipyards Group

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die deutsche Reederei Gerdes dazu aufgerufen, keine Rüstungsgüter mehr nach Israel mehr zu transportieren. Hintergrund ist eine aktuelle Lieferung ihres Frachtschiffs „Holger G“, das derzeit laut Amnesty International Teile von Artilleriegeschossen und wahrscheinlich Raketen und Flugkörper transportiere.

Mit der Lieferung verstoße Gerdes gegen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nach den freiwilligen UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie gegen Völkerrecht, argumentiert Amnesty International.

„Es besteht ein klares Risiko, dass die Lieferung zur Begehung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen im besetzten Gazastreifen beitragen wird. Gerdes läuft bei einer Lieferung Gefahr, hierfür mitverantwortlich zu sein“, kritisiert Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Damit drohe laut der Menschenrechtsorganisation dem Unternehmen und verantwortlichen Führungskräften zivilrechtliche Haftung und gegebenenfalls eine strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Beihilfe zu schweren Völkerrechtsverbrechen.

Die Menschenrechtsorganisation ruft darüber hinaus Staaten auf, den Transport zu verhindern: Portugal, unter dessen Flagge das Schiff fährt, und andere Staaten, in denen der Frachter Zwischenhalte einlegt.

IGH-Gutachten lässt Deutschland unbeeindruckt

Amnesty International beruft sich dabei auch auf ein Gutachten des IGH vom Juli 2024, wonach Staaten Israels völkerrechtswidrige Besetzung nicht unterstützen dürfen. Die Menschenrechtsorganisation setzt sich außerdem für ein umfangreiches Waffenembargo von Rüstungslieferung nach Israel ein.

Mit der Einigung zu einem Waffenstillstand Israels und der Hamas findet diese Forderung in Deutschland politisch noch weniger Gehör als zuvor, im Gegenteil, die Rüstungsexporte steigen wieder. Anfang des Monats besuchte Bundeskanzler Friedrich Merz den israelischen Premier Benjamin Netanjahu, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs vorliegt.

Derweil gehen die israelischen Luftangriffe in Gaza weiter. Seit der Waffenruhe hat Israel laut dem Gesundheitsministerium in Gaza 379 Palästinenser getötet. Und auch die Gewalt von israelischen Siedlern gegen Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen und die Expansion der illegalen israelischen Besetzung gehen weiter.

Amnesty International bezieht sich auf Recherchen des irischen Online-Mediums the ditch, das Versandunterlagen zitiert, wonach die „Holger G“ 440 Tonnen Mörsergranaten-Teile, Geschosse und militärischen Stahl zum Hafen von Haifa in Israel transportiere. Dort soll es Ende Dezember im Hafen von Haifa eintreffen und die israelischen Rüstungsunternehmen Elbit Systems und IMI Systems beliefern. Laut einer Webseite für Seeverkehr befindet sich die „Holger G“ kurz vor Port Said in Ägypten, wo sie einen Zwischenstopp einlegen soll. Die Reederei Gerdes wollte sich bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorwürfen äußern.

Auswärtiges Amt will keine Einschätzung abgeben

Es ist nicht das erste Mal, dass Transportunternehmen, die Waffen an Israel liefern, in der Öffentlichkeit stehen. Ende August 2024 erregte der Frachter „MV Kathrin“ Aufsehen, dessen Eigentümer das Lübecker Unternehmen Lubeca Marine ist. Zahlreiche Länder, darunter Namibia, Angola, Slowenien und Malta, verweigerten dem Schiff einen Zwischenstopp, mit der Begründung, dass der geladene Sprengstoff für Elbit Systems bestimmt sei. Sie verwiesen auf die völkerrechtliche Lage und die Entscheidungen des IGH vom Juli.

Portugal entzog dem Schiff schließlich die Flagge, sodass es unter deutsche Flagge weiterfuhr. Eine Sprecherin des deutschen Außenministeriums erklärte, keine völkerrechtliche Einschätzung zu dem Fall abgeben zu können. Das Wirtschaftsministerium gab gegenüber Reuters an, nicht zuständig zu sein, da die Lieferung der „MV Kathrin“ keine Ausfuhr aus Deutschland darstelle. Die Sprengstoffe seien nicht auf deutschem Hoheitsgebiet verladen oder von dort aus versandt worden.

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