Rüdiger Rossig über die „Schließung“ der Grenze zu Österreich: Symbolpolitik für de Maizière
Nein, am Sonntagabend wurden weder die Grenzen zu Österreich geschlossen noch Kontrollen aus Vor-Schengen-Zeiten wieder eingeführt. Der Zugverkehr zu einem Nachbarland wurde unterbrochen, Bundespolizei kontrollierte an ausgewählten Autobahnübergängen einzelne Fahrzeuge – und in Zügen, die über andere deutsche Grenzen einfuhren, wie anno dazumal Pässe und Personalausweise.
Viel mehr war auch nicht drin. An der österreichischen Grenze gibt es seit 1995 keine Kontrollen mehr. Der Zustand der verbliebenen Zöllnerhäuschen und Lkw-Rampen erlaubt es nicht, sie mir nichts, dir nichts wieder in Betrieb zu nehmen. Hinzu kommt das Personalproblem: Der deutsche Grenzschutz wurde in den vergangenen 20 Jahren massiv abgerüstet. Woher sollen nun die Beamten kommen die es braucht, um eine knapp 800 Kilometer lange Grenze zu überwachen?
Das zu ändern kostet einige Zeit – und viel Geld. 2011 als die rechtspopulistische „Volkspartei“ die Grenzen Dänemark wieder schließen wollte, kam heraus, dass der Spaß 30 Millionen Euro gekostet hätte – ohne Fahrzeuge, Technik, Grenzstationen usw.
Die „Grenzschließung“ von Montag auf Dienstag war einerseits Symbolpolitik an die Adresse derjenigen, die „besorgt“ sind über die Massen von Menschen, die derzeit zu uns flüchten; andererseits war die Aktion eine Verzweiflungstat von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der die seit Monaten absehbare Ankunft großer Mengen von Flüchtlingen verschlafen hat. Für de Maizière war die Nacht von Sonntag auf Montag insofern eine gute – ebenso wie für Schmuggler und andere illegale Grenzgänger an den übrigen deutschen Grenzen, an denen die Bundespolizisten nicht gleichzeitig Dienst tun konnten. Für die Flüchtlingskrise dagegen war die Aktion weitgehend irrelevant, es sei denn, man möchte beklagen, wie viel Gutes sich mit dem Geld hätte tun lassen: zum Beispiel für die Flüchtlinge, genau.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen