Rücktritt: Abgang einer Überforderten
Mit Karin von Welck geht eine Politikerin, die weder finanzielle noch kommunikative Probleme im Kulturbereich löste - und der fast niemand hinterher trauert.
Die Hoffnungsträgerin von einst ist weg: Karin von Welck, Hamburgs parteilose Kultursenatorin seit 2004, geht. Zum 25. August wird sie scheiden. Sie geht gemeinsam mit dem Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU), dessen Wunschkandidatin sie war - und so richtig trauern mag kaum jemand. Zwar bemüht sich Sabine Schulze, Leiterin des Museums für Kunst und Gewerbe, um Loyalität: "Als Museumsfrau hatte die Senatorin hat viel Verständnis für das, was hinter den Kulissen eines Museums passiert", sagt sie.
Aber Sabine Schulze stand in den letzten Monaten auch nicht in der Kritik. Das war ihr Kollege, Kunsthallen-Chef Hubertus Gassner, mit dem von Welck wochenlang öffentlich darüber gestritten hatte, ob die Teilschließung der Galerie der Gegenwart aus Brandschutz- oder aus Finanzgründen erfolge.
Gassner äußerte sich gestern nicht zum Rücktritt von Welcks, und auch Torkild Hinrichsen, Leiter des gleichfalls verschuldeten Altonaer Museums, schwieg. Auch ihm hatte die Senatorin eine Schließung wegen Brandschutz-Sanierung verordnet; Hinrichsen hatte diese Version öffentlich angezweifelt und war dafür von der Senatorin abgewatscht worden. "Die Senatorin hinterlässt einen Trümmerhaufen", findet Ekkehard Nümann vom Freundeskreis der Kunsthalle. "Es sieht aus wie Fahnenflucht; schließlich hat sie weder den Umbau der Museumslandschaft noch deren Konsolidierung geschafft."
Karin von Welcks Kenntnis inner-musealer Vorgänge kommt nicht von ungefähr:
1982 wurde sie stellvertretende Leiterin des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums für Völkerkunde.
1990 übernahm sie die Leitung des Mannheimer Reiss-Museums für Archäologie und Völkerkunde.
Von 1998 bis 2004 war sie Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder in Berlin.
Seit 2004 ist sie Präses der Hamburger Kulturbehörde, die seit 2008 "Behörde für Kultur, Sport und Medien" heißt und die Elbphilharmonie verantwortet.
So sehen es etliche in diesen Tagen - auch die Off-Kunst-Szene, der von Welck 2006 massiv Gelder kürzen wollte. Geballter Protest hatte dies verhindert. Besonders krass symbolisierte von Welcks Kulturpolitik dabei stets die Kluft zwischen Hoch- und Subkultur, zwischen "Leuchttürmen" und Alltagsgeschäft: Für die immer teurere Elbphilharmonie war Geld da. Nicht aber für die Betriebskosten der Museen oder die Tariferhöhungen an den Theatern. Diese Diskrepanz wurde ihr - die sie die Verantwortung für die Elbphilharmonie gar nicht gewollt hatte - zunehmend angelastet. Ohnehin war von Welck niemand, der die Szene einte. Sie schürte vielmehr deren Konkurrenz, indem sie Jurys etwa für Ausstellungsgelder erfand und Boni an "brav" wirtschaftende Direktoren auszahlte.
Proaktiv, wie es neudeutsch so schön heißt, war sie zudem nie: Nicht nur, dass von Welck die Brisanz der Gängeviertel-Besetzung erst begriff, als Umweltsenatorin Anja Hajduk die Kuh schon vom Eis gezogen hatte. Selten auch sah die Kultursenatorin die Folgen ihrer Entscheidungen voraus - ganz zu schweigen von einer diskreten Befriedung der Konflikte im Vorwege. Stattdessen wartete sie ab. Wenn es dann Proteste gab - die Menschenkette der Kunsthallen-Freunde etwa - betonte sie flugs, dies sei doch sehr positiv. Wer boshaft ist, mag dies als Opportunismus bezeichnen; jedenfalls zeugt es von wenig kulturpolitischem Gestaltungswillen.
Ob die Kulturbehörde weiter existieren wird, ist indes offen. Insider munkeln, dass von Beust-Nachfolger Christoph Ahlhaus sie mit der Wissenschaftsbehörde verschmelzen will. Eine andere Option wäre, Kulturbehörden-Staatsrat Nikolas Hill zum Senator zu machen. Gewünscht sei, so ist zu hören, eine Persönlichkeit, die in Finanzfragen bewandert sei. Nach einem kultur-affinen Senator, der die Szene versteht und hegt, klingt das nicht.
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