Rücktritt von HessenFilm-Chef gefordert: Das Verhältnis ist zerrüttet
Hans Joachim Mendig, Geschäftsführer der hessischen Filmförderung, hat AfD-Sprecher Jörg Meuthen getroffen. Aus Politik und Kultur hagelt es Kritik.
Ein Kaffeekränzchen ist zumeist nichts weiter als ein Kaffeekränzchen. Manchmal führt ein solches zu heftiger Kritik, wie sie derzeit Hans Joachim Mendig zu hören bekommt. Mendig ist zuständig für die hessische Filmförderung.
Und jener Mendig traf sich Ende Juli mit Jörg Meuthen, dem Bundessprecher der AfD, und dem PR-Berater Moritz Hunzinger, der sich kürzlich über die „scheußliche Masseneinwanderung von Wilden“ beklagte. Belegt ist dies durch ein Foto auf Meuthens Instagram-Account, das die drei Männer in lockerer Atmosphäre in einem Restaurant zeigt. Meuthen kommentiert es als „sehr angeregten und konstruktiven politischen Gedankenaustausch“.
Nachdem das Journal Frankfurt erstmals von dem Treffen berichtete, erklärte Mendig dies als „private Angelegenheit“, die nicht mit der HessenFilm und Medien GmbH in Verbindung stünde. Ebenjene vergibt jährlich rund 11,5 Millionen Euro an öffentlicher Filmförderung für das Land Hessen und soll damit unter anderem auf „die kulturelle Vielfalt in Hessen achten und Filmprojekte in dieser Richtung fördern“.
Fehlende Einsicht und Distanzierung Mendigs
„Das ist für mich kein privater Vorgang“, sagt Heike Wiehle-Timm im Gespräch mit der taz. Die Filmproduzentin ist seit vielen Jahren Mitglied der Bewertungs- oder Förderkommission bei HessenFilm, teilte jedoch am Dienstag ihren Rücktritt mit. Vor allem die „total unbefriedigende Stellungnahme“ sowie die fehlende Einsicht und Distanzierung Mendigs habe sie und ihren Kollegen Rolf Silber dazu bewogen.
„Kultur hat neben der Unterhaltung auch gesellschaftspolitische Verantwortung“, betont Wiehle-Timm. Die „multikulturelle Kultur“ werde durch die AfD als „Nicht-Kultur“ herabgesetzt, gerade kleine Theater würden zunehmend durch AfD-VertreterInnen in kommunalen Kulturausschüssen unter Druck gesetzt, als „linksversifft“ beschimpft, teils gar angezeigt.
Mendig müsse sich erklären, fordert Wiehle-Timm, er solle Haltung zeigen. Aufklärung über die Inhalte des Gespräches fordert auch die Deutsche Filmakademie in Berlin. Mendig trage besondere „Verantwortung für das steuerlich finanzierte Filmfördersystem“, das durch die AfD infrage gestellt werde. Auch der Bundesverband Regie und weitere Zusammenschlüsse von FilmemacherInnen und Kulturschaffenden legen Mendig den Rücktritt nahe.
Keine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich
Esther Schapira ist erbost. Die leitende Redakteurin des Hessischen Rundfunks teilte der taz mit, dass sie ihre Mitgliedschaft in der Vergabejury der HessenFilm mit sofortiger Wirkung ruhen lasse. „Für mich ist keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Herrn Mendig mehr möglich“, begründet Schapira.
„Die AfD versucht sich ein rechtschaffenes, bürgerliches Bild zu geben, den Eindruck der Harmlosigkeit zu erwecken“, so Schapira. Mendig nehme es in Kauf, für die AfD als „Steigbügelhalter“ zu dienen. Schapira hätte sich eine klare Distanzierung von den „rassistischen, antisemitischen und menschenverachtenden Ansichten“ gewünscht. Nun sei das Verhältnis zwischen der Filmbranche und der HessenFilm „unheilbar zerrüttet“, sie wisse von vielen Absagen für die Verleihung des Hessischen Film- und Kinopreises im Oktober.
Die AfD sieht Kultur als zentralen Bezugsrahmen für eine Umgestaltung der Gesellschaft. So spricht die rechtspopulistische Partei in ihrem Programm von einer „ideologischen Beeinflussung des Staates“ durch die Kulturpolitik und fordert ein Ende der vermeintlich vorherrschenden „politisch korrekten“ Kunst. Statt einer ausgeprägten Erinnerungskultur an den Holocaust sollen etwa die vermeintlich „positiv identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte“ hervorgehoben werden.
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