Rücktritt gefordert: Grüne Wölfin
Die Bürgerschaftskandidatin Nebahat Güclü gilt nach einen Wahlauftritt bei den Grauen Wölfen als nicht mehr tragbar für die Hamburger Grünen.
HAMBURG taz | Nebahat Güçlü steht auf Platz 25 der Grünen Landesliste für die Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am 15. Februar. Eigentlich aussichtslos, doch dank des Hamburger Wahlrechts könnte sie den Sprung ins Landesparlament mit vielen Personenstimmen dennoch schaffen. Deshalb ringt sie um jede Stimme. Ein Wahlauftritt irritiert aber nicht nur ihre eigene Partei: Am 18. Januar trat Güçlü beim Kulturfestival der „Föderation der Demokratischen Türkischen Idealistenvereine in Deutschland“ (ADÜTDF) auf, dem deutschen Arm der rechtsextremen türkischen Grauen Wölfe.
In der Partei hat sie damit Fassungslosigkeit ausgelöst. „Für uns ist es inakzeptabel, wenn eine grüne Kandidatin bei offen nationalistischen Gruppierungen auftritt“, teilten Parteichefin Katharina Fegebank und Fraktionschef Jens Kerstan auf taz-Nachfrage umgehend mit. Und: „Wir erwarten, dass Nebahat Güçlü Konsequenzen zieht und ihre Kandidatur zurückzieht.“
Am späten Nachmittag tagte der Landesvorstand der Grünen – und beantragte den Parteiausschluss Güçlüs. „Wer bei Rechtsextremen um Stimmen wirbt, verstößt gegen die Grundwerte der Grünen“, sagte Parteivize Manuel Sarrazin.
Ihren Auftritt streitet Güçlü, die auch Vorsitzende der „Türkischen Gemeinde Hamburg“ ist, nicht ab. Zu dem Festival mit dem türkischen Musiker Mustafa Yıldızdoğan seien über 1.500 Gäste gekommen. Als Grüne Bürgerschaftskandidatin habe sie dort eine kurze Rede zum Thema „Integration und Bildung in Hamburg“ gehalten, schreibt Güçlü in einer Erklärung auf ihrer Facebookseite.
Die Bitte der taz um Rückruf blieb am Montag unberücksichtigt. In einer Stellungnahme behauptet Güçlü jedoch: „Es war keine Veranstaltung der türkischen Rechtsextremen und auch nicht der ’Grauen Wölfe‘.“ In den Vorhaltungen sieht sie einen „erneuten Versuch“, mit „falschen Vorwürfen Stimmung gegen mich zu machen“. Dies geschehe immer wieder, seit sie Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Hamburg sei.
Die ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete, die aus gesundheitlichen Gründen 2010 ihr Mandat niederlegte, schreibt weiter, manche „kurdischen und PKK-nahestehenden Personen und Organisationen“ verstünden schon den Begriff ’Türke‘ oder ’türkisch‘ inzwischen als „extrem negativ konnotiert“ und machten „Organisationen sowie Veranstaltungen, die in irgendeiner Weise einen Namen tragen, in dem das Wort ’türkisch‘ vorkommt“, leichtfertig „als rassistisch“ aus.
Vor allem greift Güçlü das Online-Magazin Avrupapostasi an, das den Auftritt kritisiert hatte. „Mit dieser Behauptung setzt sie uns mit einer verboten Organisation gleich, das ist Rufmord“, sagt Adil Yiğit, Redakteur des liberalen türkischen Magazins.
Güçlüs Einschätzung der Veranstaltung ist allerdings mehr als umstritten: In Hannover richtete die ADÜTDF im Dezember 2014 dasselbe Festival aus. Der niedersächsische Verfassungsschutz warnte, die Organisation sei „ein Sammelbecken extrem nationalistischer Personen mit türkischem Migrationshintergrund“.
In Antworten auf kleine Anfragen der Linken im Bundestag legt die Bundesregierung dar, dass die Föderation als Teil der „Ülkücü-Bewegung“ sei, die der Idee von einer „Großtürkei“ und der Forderung nach einer „Wiedervereinigung“ aller Turkvölker vom Balkan bis Zentralasien anhänge. „Zur Schärfung der eigenen Identität werden Feindbilder propagiert“, so die Bundesregierung. Kurden, Armenier, Griechen und Juden würden als Feinde verstanden, Christen gälten als „Kollaborateure des grausamen Judentums“.
Die ADÜTDF dagegen bemüht sich, in der Öffentlichkeit moderat und unpolitisch zu erscheinen. Auf seiner Webseite erklärt der Verein mit Sitz in Frankfurt/Main, keiner „politischen Gesinnung“ nahe zu stehen. Ihre Hauptaktivität läge „im kulturellen und familiären Bereich“, das Ziel sei „Wahrung und Entfaltung der kulturellen Identität unserer Mitglieder“.
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