Rückkehr russischer Boxer:innen: Scheinheilige Bündnisse
Der Weltboxverband lässt Russen wieder in den Ring. Wie schon beim Ausschluss entscheiden erneut nicht die Werte, sondern das Kalkül.
S chöne Nachrichten gab es diese Woche für den russischen Sport. Der Boxweltverband IBA hat als erste olympische Sportorganisation beschlossen, dass der Ausschluss der russischen und belarussischen Athleten, der nach Beginn des Krieges in der Ukraine umgesetzt wurde, wieder aufgehoben wird. Die Sportler dürfen wieder antreten, nicht einfach nur so, sondern mit dem ganzen nationalen Schnickschnack. Die eigenen Fahnen dürfen geschwungen, die Nationalhymnen geschmettert werden. Zum Schutz der Athleten geschehe dies, es solle keine Diskriminierung aufgrund ihrer Nationalität geben. Das hat Umar Kremlew, der Chef der IBA erklärt. Und: „Es ist unser aller Pflicht, Sport und Athleten von der Politik fernzuhalten.“
Kremlew ist Russe. Die ukrainische Verband wurde übrigens Ende September vorläufig suspendiert. Zu viel Einmischung des Staates in die Arbeit des nationalen Verbandes wurde moniert. Ähnliche Bedenken gab es bereits gegen Kremlew selbst. Mitte Mai bildete sich aus den westlichen Boxnationen eine Allianz, welche die Wiederwahl Kremlews verhindern wollte, weil dessen Macht im internationalen Boxverband sich vor allem auf die Gelder des russischen Staatsunternehmens Gazprom stützte, mit der er sich seine Mehrheiten organisiert.
Der Deutsche Boxsport-Verband traute sich damals nicht, offen zu opponieren, weil er wohl glaubte, sich eine fragwürdige Haltung eher leisten zu können als finanziellen Schaden. Kremlews Gegenkandidat, der Niederländer Boris van der Vorst, wurde einen Tag vor der Wahl durch eine Integritätsprüfung der IBA von der Wahl ausgeschlossen. Sein Wahlkampf außerhalb der Wahlkampfzeit, hieß es, habe gegen die Statuten verstoßen. Kremlew wurde mit bloßem Applaus und ohne Gegenkandidat erneut zum Präsidenten gekürt.
Die Vorgänge scheinen eine aberwitzige Karikatur davon zu sein, wie sich zwielichtige Figuren – Kremlew war Mitglied der „Nachtwölfe“, einem nationalistischen russischen Motorradklub – Einfluss verschaffen können und die Werte des Sports mit Füßen treten.
Pekuniäre Überlegungen
Schaut man genauer und etwas weiter, ist das Bild ein vielschichtigeres. IOC-Präsident Thomas Bach machte im August darauf aufmerksam, dass es von den 205 nationalen olympischen Komitees etwa 150 im IOC gebe, deren Regierungen keine Sanktionen gegen Russland verhängt hätten. Diese würden sich fragen, warum der IOC russische und belarussische Sportler:innen ausschließe. Sprich: Diese nationalen Komitees haben keine eigene Motivation, im Bereich des Sports anders zu handeln, als das auf dem Feld der Politik in ihren Ländern gehandhabt wird.
Ähnlich wie im Boxweltverband dürfte die Mehrheit pekuniären Überlegungen den Vorrang geben. Der größte olympische Finanzier ist der US-Sender NBC, der dem IOC 2021 für die Übertragungsrechte bis 2032 5,5 Milliarden Euro zusicherte. Diese Zuwendungen machen etwa 40 Prozent im Gesamtetat der Olympiamacher aus.
Wenig glaubwürdig wäre es zu behaupten, es ginge beim Ausschluss von Belarus und Russland um die Werte des Sports. Viele Länder, räumte auch Thomas Bach ein, würden das IOC fragen, was man bei den Kriegen im Jemen oder in Afghanistan, Äthiopien oder Mali getan habe. Man kann den Ausschluss für russiche und belarussische Sportler:innen weiter gutheißen. Mehrheitsfähig ist er aber nur aufgrund der globalen politischen und ökonomischen Machtverteilung und nicht weil sich das aus einer Wertegemeinschaft des Sports ableiten lassen würde.
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