Rückkehr des Hoffnungsträgers: Werkzeugkasten wird größer
Borussia Dortmund feiert einen deutlichen Sieg gegen den SC Freiburg. Und nach dessen Comeback auch seinen Stürmer Sébastian Haller.
Julian Brandt hat schon einiges erlebt in seinen mittlerweile dreieinhalb Jahren als Spieler des BVB, aber diese besondere Mischung aus Freude, Mitgefühl und Befreiung, die am Samstagnachmittag in einer emotionalen Explosion hervorbrach, hat auch diesen erfahrenen Dortmunder schwer beeindruckt: „Ich habe selten erlebt, wie ein Stadion einen Namen so laut schreien kann“, sagte Brandt zu den Feierlichkeiten nach dem ersten Pflichtspieltor des Stürmers Sebastién Haller zum 3:1 gegen den SC Freiburg in der 51. Minute.
Menschen mit Faible für schicksalhafte Fügungen konnten sagen: „Genauso musste es kommen!“ Es war nämlich der Weltkrebstag, an dem Haller seinen ersten Bundesligatreffer nach überwundener Hodenkrebserkrankung erzielte. Seine Schuhe hatte er mit dem Aufdruck „Fuck Cancer“ versehen. Außerdem hatte der BVB den Tag für etliche Aktionen genutzt, mit denen für Früherkennungsmaßnahmen zur Krebsbekämpfung geworben wurde. Und nun erfüllte sich Haller nicht nur den Wunsch nach einem Bundesligatreffer, der seiner Mannschaft hilft, sondern auch den Traum von einer Torparty mit der berühmten Südtribüne.
„Man schwebt auf seiner Wolke, das ganze Stadion war on fire, genau wie meine Mitspieler“, sagte der Stürmer später über den Moment, als er den Ball ins Tor vor den Fans geköpft hatte und Trainer Edin Terzic erklärte: „Dass es ein wichtiges Tor war, dass es vor der gelben Wand gefallen ist, das rundet das Ganze ab.“ Die Haller-Geschichte, der als wichtigster Sommertransfer galt, nach seiner Tumordiagnose aber monatelang ausfiel, begleitet die Dortmunder Saison genau wie der Wankelmut, der vor Weihnachten so viele Punkte gekostet hat.
Daher habe dieses Tor „Gänsehaut pur“ ausgelöst, sagte Karim Adeyemi, der ebenfalls einen Treffer zum deutlichen 5:1 gegen die nach einer gelb-roten Karte für Kilian Sildillia mehr als 70 Minuten lang in Unterzahl spielenden Freiburger beigesteuert hatte. Alle hatten sie in diesem Moment gebadet, aber es war auch der Tag, an dem Hallers Mitwirken eine neue Phase der Normalität eingeläutet haben könnte.
„Extrem speziell“
Es gab den ersten Testspieleinsatz im Wintertrainingslager, die erste Einwechslung in der Bundesliga, die erste Startelfnominierung und jetzt das erste Pflichtspieltor, aber so langsam geht die Zeit der Premieren zu Ende. „Natürlich ist das alles mit der Geschichte extrem speziell und man freut sich umso mehr für einen Menschen“, sagte Brandt. „Aber es ist auch wichtig, was er für Fähigkeiten mitbringt, das Sportliche, das wir ein halbes Jahr vermisst haben.“ Hallers Strafraumpräsenz und seine Kopfballwucht sollen in den kommenden Monaten zu einem wichtigen Faktor werden, und hier sind noch Fortschritte notwendig.
Jenseits seines Treffers war schon zu sehen, dass Haller noch nicht der kraftvolle Topstürmer ist, der er in seinen besten Tagen war. Aber er ist Teil einer Entwicklung, die Terzic nach dem vierten Sieg im vierten Bundesligaspiel 2023 hervorhob: Eine Erkenntnis dieser ersten Wochen des Jahres bestehe darin, dass der „Werkzeugkasten größer wird“, aus dem er sich bedienen könne, sagte Terzic.
Die Zuversicht ist wieder groß. Wohin all das führen soll, ist allerdings noch etwas diffus. „Wer wird deutscher Meister? BVB Borussia!“, sangen die Fans, und vor der Saison hatten mehrere Spieler angedeutet, dass der Bundesligatitel sehr wohl eine Rolle spiele in den Überlegungen. Doch Hallers Erkrankung, viele Verletzungen und sportlich schwächere Phasen hatten solche Gedanken weggeweht.
Nun scheint wieder vieles möglich. Kapitän Marco Reus spielte zwar unauffällig, stand aber erstmals seit seiner im vergangenen September erlittenen Fußverletzung wieder in der Startelf. Karim Adeyemi ließ seinem ersten Bundesligatreffer beim Sieg in Leverkusen eine Woche zuvor gleich ein zweites Tor folgen und wirkt im Spiel gegen den Ball gereift. Marius Wolf ist ein richtig starker Außenverteidiger geworden, und der FC Bayern ist nicht zuletzt nach der harten Kritik, die Kapitän Manuel Neuer an den Verhältnissen beim Rekordmeister formulierte, angeschlagen.
Der These, dass damit die Titelchancen des BVB steigen, mochte Sportdirektor Sebastian Kehl zwar erst einmal nicht zustimmen: Die Bayern waren „ja in der Vergangenheit immer in der Lage, mit kritischen Themen gut umzugehen“, rief Kehl in Erinnerung. Dortmunds Sportdirektor sagte aber auch: „Mit uns ist zu rechnen.“
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