Rückkehr aus dem Risikogebiet: Ein Flugzeug voller Dunkelziffern
Eine Bremerin wurde nach ihrer Rückkehr aus dem Corona-Risikogebiet New York weder gesondert erfasst noch irgendwie instruiert.
Das Flugzeug aus New York sei sehr voll gewesen, berichtet sie, „viele Passagiere hatten ihren Urlaub abgebrochen und flogen nach Hause.“ Weder während des Fluges noch am Flughafen Frankfurt habe es irgendwelche Anweisungen darüber gegeben, wie es für sie nun weitergehe. Vielmehr sei alles so abgelaufen, als gebe es keine ungewöhnliche Situation: „Wir dachten, wir müssten vielleicht eine Aussteigerkarte ausfüllen, aber es geschah nichts dergleichen.“
Auf der Homepage des Frankfurter Flughafens heißt es: „Passagiere, die aus China, Hongkong, Macau, Südkorea, Japan, dem Iran und Italien nach Deutschland einreisen, müssen vor Verlassen des Flugzeugs Angaben zum Flug und zur persönlichen Erreichbarkeit für die nächsten 30 Tage nach Ankunft mittels Aussteigerkarten (Passenger Locator Cards = PLC) machen. Diese PLCs werden von den Crews an die Passagiere verteilt. Diese Karten werden beim Gesundheitsamt Frankfurt für 30 Tage hinterlegt und dienen ggf. einer späteren Kontaktaufnahme.“
Bloß sind diese Maßnahmen auf den 13. März datiert – umfassen damit also nicht mehr alle vom Robert-Koch-Institut ausgewiesenen Risikogebiete. Zu denen gehören, neben den oben genannten, mittlerweile auch Madrid, die Region Grand Est in Frankreich, Ägypten, Kalifornien, Washington – und New York.
Freiwillige Quarantäne
Sie habe sich während der gesamten Rückreise durchaus Sorgen gemacht, weil der empfohlene Sicherheitsabstand zwischen den Menschen nur schwer oder gar nicht einzuhalten gewesen sei, sagt Stein. Immerhin sei ihr Schwiegervater, der in Freiburg lebt, nach Frankfurt gekommen und habe ihr sein Auto geliehen: „So konnten wir wenigstens isoliert von anderen Menschen nach Hause fahren – sonst hätten wir noch mit dem Zug fünf Stunden zurück nach Bremen fahren müssen.“ Und dort habe sich die Familie dann umgehend in freiwillige Quarantäne begeben: „Wir sind alle drei symptomfrei und halten uns an die Bremer Allgemeinverfügung: zwei Wochen Quarantäne.“
Das müssten sie nicht tun, denn diese Vorgabe gilt lediglich für RückkehrerInnen, die sich einer Corona-Testung unterzogen haben. Und dazu wiederum sind sie ebenfalls nicht verpflichtet: Ob sie infiziert ist oder nicht, wird die Familie wohl nur erfahren, sollte eines ihrer drei Mitglieder Symptome der Covid-19-Erkrankung entwickeln. „Niemand hat uns aufgefordert, uns testen zu lassen“, sagt Stein. Dabei verläuft eine Infektion vor allem bei jüngeren Menschen und Kindern oft ohne Symptome, ist aber natürlich dennoch hochansteckend.
Beim Gesundheitsamt Bremen ist unter dem Stichwort “Hinweise für Reisende aus Risikogebieten“ keine Rede von Test oder Quarantäne. Dort heißt es lediglich: „Sind Sie vor 14 oder weniger Tagen aus einem Risikogebiet nach Deutschland gereist und liegen bei Ihnen keine Symptome vor, dann sollten Sie im Sinne einer Vorsorge Vorkehrungen treffen, um Ihren eigenen Gesundheitszustand zu überwachen und das Risiko der Weiterverbreitung der Infektionskrankheit zu minimieren.“
Flughäfen befolgen Vorgaben
Abgesehen davon, dass eine solche Empfehlung neben den gesundheitlichen Risiken für andere nicht gerade zur Aufhellung der großen Dunkelziffer der Corona-Infizierten beiträgt: Viele Menschen wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben. „Man hätte doch wenigstens Flyer verteilen oder eine Durchsage machen können – dass eine komplette Maschine aus New York nicht aufgefordert wurde, sich in Quarantäne zu begeben, ist mir völlig unverständlich“, sagt Stein und: „Ich denke schon, dass viele meiner Mitpassagiere keine besonderen Maßnahmen ergriffen haben, sondern sich einfach so verhalten, wie es im Moment alle tun.“
Auf Nachfrage heißt es dazu beim Flughafen Frankfurt, die Verantwortung für die Aussteigerkarten liege bei den Airlines. Der Flughafen selbst befolge streng die Vorgaben des örtlichen Gesundheitsamtes und des hessischen Gesundheitsministeriums.
Auch für den Flughafen Bremen gilt, so Airport-Sprecherin Andrea Hartmann, dass er „immer korrekt nach den Vorgaben des Gesundheitsamtes Bremen“ vorgehe. In den Ankünften stünden Aufsteller mit Informationen zu Covid-19, und dort wo es möglich sei, seien diese auch digital eingespielt. „Hier sind vergangene Woche noch weitere Aufsteller mit aktualisierten Anweisungen des Gesundheitsamtes für Rückkehrer aus Risikogebieten hinzugekommen, und es werden auch Handzettel mit diesen Anweisungen durch die Bundespolizei verteilt“, sagt Hartmann. Außerdem gebe es Informationen vor der Sicherheitskontrolle und Durchsagen im Terminal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“