Rückgabe von Benin-Bronzen in Stuttgart: Ein Beispiel für andere Länder
Baden-Württemberg übergibt als erstes Land Benin-Bronzen an Nigeria. Die Rückgabe soll der Beginn einer engen Kooperation sein.
Kurz vor der Übergabe durchfährt die Hausherrin Inés de Castro der Schreck. Als die baden-württembergische Wissenschaftsministerin und der nigerianische Botschafter das rote Kissen mit der Elfenbeinmaske der Iyoba allzu schwungvoll ins Blitzlicht halten, ruft sie eine Warnung dazwischen, aus Angst, das einzigartige Stück könnte zu Boden fallen.
Pressetermin im Linden-Museum in Stuttgart, der Botschafter Nigerias in der Bundesrepublik, Yusuf Maitama Tugga, ist aus Berlin angereist, auch Abba Tijani, Generaldirektor der Nationalen Museums- und Denkmalbehörde Nigerias, ist nach den Verhandlungen wieder nach Stuttgart gekommen, um die Restitution aller 70 Benin-Bronzen, die noch im Stuttgarter Linden-Museum sind, zu vollenden.
Die Objekte seien für Nigerias Geschichte und Identität von zentraler Bedeutung, sie wurden geraubt, sagt Abba Tijani. Lange Zeit verweigerten europäische Museen nicht nur die Rückgabe, sondern wollten sie nicht einmal für Ausstellungen in Nigeria verleihen. Andererseits sind die Objekte Museumsbesuchern und Kuratoren in den über 100 Jahren im Linden-Museum ans Herz gewachsen.
„Die Maske wegzugeben, tut ein bisschen weh“, gesteht Direktorin de Castro, doch sie sei das richtige Objekt, um die Rückgabe zu starten. Die Elfenbeinmaske war ein wichtiges Ausstellungsobjekt. In den letzten Tagen seien viele Besucher gekommen, um sich von ihr zu verabschieden. Auch Wissenschaftsministerin Petra Olschowski sagt: „Es ist keine einfache, aber die richtige Entscheidung.“
Stuttgart beginnt den Reigen der Rückgaben von Benin-Bronzen aus Deutschen Museen. 70 Stücke gehen mit der Vertragsunterzeichnung offiziell in den Besitz von Nigeria über. Neben der Maske werden in den nächsten Monaten 45 Objekte zurückgeschickt. 24 werden als Dauerleihgabe Nigerias weiter in Stuttgart zu sehen sein. Das Entscheidende sei, dass Nigeria nun auch bei der Art der Präsentation mitsprechen könne, so Castro.
In Deutschland noch über 1.000 Objekte
Andere deutsche Kulturstätten folgen. In dieser Woche hat der Stadtrat in Köln beschlossen, 92 Benin-Bronzen aus dem Rautenstrauch-Joest-Museum zurückzugeben. Und die Bürgerschaft in Hamburg wird 179 Bronzen an Nigeria restituieren. Insgesamt gebe es in Deutschland noch über 1.000 Objekte, die Nigeria geraubt worden seien, sagt der nigerianische Botschafter. Ihre Rückgabe sei das größte kulturpolitische Ereignis für Nigeria seit Jahrzehnten. Deutschland bereite den Weg und sei ein Beispiel für andere Länder, die bisher in Fragen der Rückgabe nicht so offen seien.
Die Elfenbeinmaske ist dafür ein Symbol. Sie wurde im 16. Jahrhundert im Königreich Benin gefertigt und stellt das Gesicht der Iyoba Idia dar, der Königsmutter, der einzigen Frau, die neben dem König bei politischen Entscheidungen mitsprechen durfte. Die Maske hatte rituelle Bedeutung, die britischen Truppen raubten das Werk neben vielen anderen bei einer „Strafexpedition“, die das afrikanische Königreich zerstörte.
Heute sind nur fünf solcher Masken weltweit bekannt. Sie liegen unter anderem im British Museum in London und im New Yorker Metropolitan Museum. Die Rückgabe dieser Stücke ist bis auf Weiteres ungewiss.
Abba Tijani betont, dass die Vertragsunterzeichnung erst der Beginn einer Kooperation sei. Nach der langen Zeit in Deutschland hätten die Objekte ihre eigene Geschichte, die auch erzählt werden müsse: „Ihnen wird hier in Stuttgart nichts fehlen, die Zusammenarbeit wird vielmehr unser beider Verständnis über diese Objekte bereichern.“
Wie diese Kooperation konkret aussehen wird, ist noch unklar. Das Linden-Museum, hat von der Elfenbeinmaske einen 3D-Scan anfertigen lassen, sodass das Objekt bald von überall auf der Welt digital erforscht werden kann. Tijani plant mit den Objekten, die nach Nigeria zurückkehren, eine große Ausstellung. Die Rückgabe könne eine Initialzündung für eine neue Museums- und Forschungslandschaft in seinem Land sein. Die Partner in Deutschland wollen dabei helfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands