Rückeroberung von Mosul: IS sprengt Moschee und Minarett
Selten leisteten die Menschen in Mosul Widerstand gegen die IS-Herrschaft. Doch um das schiefe Minarett kämpften sie. Jetzt haben es die Extremisten zerstört.
Die Extremisten des Islamischen Staates (IS) haben die Moschee und das Minarett am Mittwoch in die Luft gesprengt. Über ihr Propagandaorgan Amaq behaupteten die Extremisten, die Amerikaner seien für das Zerstörungswerk verantwortlich. Sie hätten die Moschee bombardiert. Doch ungewöhnlich schnell wiesen die Amerikaner schon kurz danach jegliche Verantwortung von sich. Der IS habe einen der grossen Schätze von Mosul und des Irak zerstört, während die irakischen Sicherheitskräfte auf die Nuri-Moschee vorrückten, erkärte Generalmajor Joseph Martin, der amerikanische Kommandant des Einsatzes gegen den IS. „Das ist ein Verbrechen an den Menschen von Mosul und des ganzen Irak, und es ist ein Beispiel dafür, warum diese brutale Organisation vernichtet werden muss.“
Ein kurzes Video, das Iraker über soziale Medien verbreiteten, zeigt, dass das Minarett nicht aus der Luft bombardiert wurde. Die Aufnahmen dokumentieren eine Explosion und wie das Minarett umhüllt von schwarzen Rauchwolken in sich zusammenfällt.
Es war in dieser Moschee, in der IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi vor knapp drei Jahren seinen ersten und bisher einzigen öffentlichen Auftritt hatte. Kurz nach dem die Extremisten Mosul und weite Teile des West- und Zentralirak überrannt hatten, liess sich Bagdhdadi zum Kalifen oder Oberhaupt der Muslime ernennen. Von der Kanzel der Nuri-Moschee rief er die Muslime weltweit am 4. Juli 2014 dazu auf, ins Kalifat zu reisen und sich dem Jihad anzuschliessen. Zehntausende folgten diesem Aufruf und überzogen den Irak und Syrien mit Angst und Schrecken.
Auf ihrem Feldzug verübten die Fanatiker nicht nur massenhaft Massaker an Andersgläubigen, sondern legten mit Sprengstoff, Bulldozern und Äxten auch das antike und multireligiöse Erbe des Irak in Trümmer. Selten wagten es die Bürger, sich gegen die Terrorherrschaft zu erheben. Doch in Mosul taten sie es einmal. Als im Sommer 2014 Gerüchte die Runde machten, der IS wolle das Hadba-Minarett in die Luft sprengen, bildeten mutige Männer eine Menschenkette und verhinderten damit das Zerstörungswerk. Umso schwerer wiegt jetzt der Verlust.
Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi nannte die Zerstörung der Moschee den finalen, verdorbenen Akt der Extremisten. Es sei das offizielle Eingeständnis ihrer Niederlage, sagte Abadi. Seine Regierung hatte freilich gehofft, die Moschee selbst zum Zeichen des Siegs über die Extremisten zu machen. Nach acht Monaten harter Kämpfe, die Tausende von Toten unter der Zivilbevölkerung und den irakischen Truppen gefordert haben, begannen Eliteeinheiten am Sonntag mit dem Angriff auf die Altstadt.
Am Donnerstagmorgen sollte der Kampf um die historische Moschee beginnen. Pünktlich zum Ende des Fastenmonats Ramadan in wenigen Tagen und dem Auftakt der dreitätigen Festtage wollten sie auf dem Hadba-Minarett die irakische Flagge hissen. Es wäre es ein Bild von symbolischer Kraft geworden. Zwar wäre der IS damit noch nicht besiegt – die Extremisten kontrollieren weiterhin grosse Gebiete in Syrien, aber auch etliche Gegenden im Irak – aber es hätte seiner Propaganda einen empflindlichen Schlag versetzt.
Das Gotteshaus wurde 1172 auf Anordnung von Nureddin Zangi gebaut, Gouverneur von Mosul und Aleppo der türkisch-seljukkischen Zangi-Dynastie. Die Moschee musste im 20. Jahrhundert einem Neubau weichen. Doch das aus Ziegelsteinen errichtete Minarett blieb erhalten. Schon der berühmte marokkanische Reisende Ibn Battuta verzeichnete im 14. Jahrhundert seinen Schiefstand. Warum es so schief wurde, ist Gegendstand zahlreicher Legenden.
Kurz bevor der IS Mosul überrannte, hatte die Unesco mit der Lokalregierung begonnen, es zu stabilisieren, um einen Einsturz zu verhindern. Für Alteingesessene war das Hadba-Minarett das, was den Italeniern der schiefe Turm von Pisa ist. Angesichts der vielen Toten und Verletzten ist die Zerstörung des Minaretts nur eine weitere Tragödie. Der Verlust des irakischen Kulturerbes sei traurig, sagte der Menschenrechtler Saib Khidr. „Aber wir dürfen nicht die Menschen vergessen, die getötet, entführt und gefoltert wurden.“
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