Rückbenennung einer Straße: Familie Mosse kehrt zurück
In Berlin trug einst eine Straße den Namen des jüdischen Verlegers Rudolf Mosse. Seit Samstag ist ein Stück davon nach seiner Ehefrau Emilie benannt.

Der jüdische Verleger hatte zusammen mit seiner Frau Emilie (1851–1924) mehr als nur einen Pressekonzern aufgebaut. Vor allem Emilie Mosse unterstützte ein Waisenhaus und eine Einrichtung für arbeitende Frauen. 1935 benannten die Nazis die Straße um. Nach 1945 entstand hier der spätere Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, doch weil der auf etwa zwei Millionen Kubikmeter Schutt errichtet wurde, liegt die alte Rudolf-Mosse-Straße etwa einen Meter tiefer.
Nur ein ganz kleines Stück dieser Straße, das direkt auf den Haupteingang des Jahn-Stadions zuläuft, existiert noch. Bislang zählten die Häuser zur Eberswalder Straße, nun zur Emilie-Mosse-Straße.
Der Verein „Mosse erinnern!“ hatte sich lange für die Rückbenennung der Straße eingesetzt. Dass sie nun nicht nach Rudolf Mosse heißt, liegt daran, dass es in Wilmersdorf bereits eine solche Straße gibt, und dass der Bezirk Pankow Straßen vor allem nach Frauen benennen möchte.
„Sie war auch Repräsentantin des Verlags“
Die Biografie von Emilie Mosse zeigt, dass sie nie nur die Frau an Rudolfs Seite war. Die Historikerin Elisabeth Wagner betont: „Sie war auch Repräsentantin des Verlags.“ Im liberalen Berliner Tageblatt des Mosse-Verlags fand sich etwa täglich eine Frauenseite, die auf Emilies Wirken zurückging, unter anderem war sie mit Bertha von Suttner und Alice Salomon befreundet.
„Ich wollte einfach nicht hinnehmen, dass die Nazis gewinnen“, sagt Holger Siemann zu seiner Motivation. Die Nazis hatten schließlich den Namen Mosse aus dem Stadtbild gestrichen. Dabei waren nach 1945 Umbenennungen üblich: Die Straße, die auf die Emilie-Mosse-Straße zuläuft, hatte seit 1937 Ludwigstraße geheißen, nach dem NS-Schläger Otto Ludwig. Seit 1952 ist es die Topsstraße, nach Hermann Tops, einem kommunistischen Widerstandskämpfer.
Noch deutlicher ist es beim Jahn-Sportpark. Der erinnert gleichfalls seit 1952 an den „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, einen Antisemiten und Franzosenhasser. Manuela Anders Granitzki (CDU), Stadträtin Ordnung und Öffentlicher Raum in Pankow, kann sich vorstellen, dass bald auch über den Namen Jahn diskutiert wird. Cordelia Koch (Grüne), die Pankower Bezirksbürgermeisterin wünsche sich eine „sensible Auseinandersetzung“ mit dieser Frage, sagt sie der taz.
Stephan Lahrem vom Verein „Mosse erinnern!“ hat einen pragmatischen Vorschlag. Aktuell liegt das Jahn-Stadion, das abgerissen und neu gebaut werden soll, offiziell in der Cantianstraße. „Ich wünsche mir, dass das Jahn-Stadion die Postadresse ‚Emilie-Mosse-Straße‘ bekommt.“
Am Samstag sollte dort ein Fußballturnier für Mädchen um den Emilie-Mosse-Pokal ausgespielt werden. Doch das musste kurzfristig wegen angekündigten Starkregens abgesagt werden. Auch nach der Umbenennung muss Gedenken mit Rückschlägen rechnen.
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