piwik no script img

Rudolf Balmer über das Burkini-Urteil in FrankreichDer reinste Stellvertreterkrieg

Das oberste Verwaltungsgericht hat mit seinem Grundsatzentscheid gegen die Burkini-Verbote an französischen Stränden die notwendige Klarheit geschaffen. Diese Rechtsbelehrung für dreißig meist rechtsgerichtete Bürgermeister war dringend notwendig. Mit den kommunalen Verboten, die sich de facto gegen alles richteten, was irgendwie als Burkini, Burka, Schleier oder sonstige islamisch-islamistische Provokation interpretiert werden konnte, drohte eine Willkür in erster Linie gegen eine Handvoll Frauen und in zweiter gegen die Muslime in Frankreich.

Es war schon schlimm genug, wie sich gewisse renommierte Badeorte an der Côte d’Azur, die sonst königliche Familien aus Saudi-Arabien mit offenen Armen empfangen, unter dem Druck fremdenfeindlicher Kreise mit ihren Verboten lächerlich gemacht haben. Hinzu kam, dass es sich um ein Scheinproblem handelt. Manche Bürgermeister schienen aber wirklich zu meinen, sie seien ihren Bürgern nach den terroristischen Attentaten ein solches besonders entschlossen wirkendes Vorgehen irgendwie schuldig.

Mit ihrer Repression richten sie sich gegen die Falschen. Diese sollen stellvertretend den Kopf herhalten für einen unsichtbaren und unfassbaren Feind. Mit diesem Vorgehen handeln sich diese lokalen Antiterroristen, wenn nicht neue Feinde, so doch viel Verbitterung bei diesen Frauen ein, die da ungeprüft und vorschnell wegen ein wenig viel Stoff neben halbnackten Leiber am Strand mit islamistischen Fanatikern in denselben Topf geworfen werden.

Das Schlimmste ist die schockierende Uneinsichtigkeit der betroffenen Lokalpolitiker und ihrer Parteien. Sie fordern jetzt statt kommunaler Verbote ein landesweites Gesetz, das zur Verbannung aller islamischen Symbole noch weiter geht als die Jagd auf ein paar Burkinis. Diese Badekleider werden für den Front National von Marine Le Pen und die Republikaner von Nicolas Sarkozy zum Vorwand für eine billige Wahlpolitik.

Reportage

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen