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Ruandas Oppositionskandidat Habineza„Wahlen, nicht Waffen“

Der Grüne Frank Habineza erklärt, warum er trotz Chancenlosigkeit zu Ruandas Präsidentschaftswahlen antritt – und was sich dort verändern muss.

Beim letzten Mal 0,5 Prozent: Frank Habineza im Wahlkampf in Gihara, Ruanda, 23. Juni Foto: Guillem Sartorio / afp
Simone Schlindwein
Interview von Simone Schlindwein

taz: Herr Habineza, Sie treten bei den Präsidentschaftswahlen in Ruanda am 15. Juli für die Grünen an, als einer von zwei Gegenkandidaten gegen Amtsinhaber Paul Kagame. Ist Ruanda bereit für einen neuen Präsidenten?

Frank Habineza: Ja, ich denke schon. Die Mehrheit unserer Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt und hat seit dem Völkermord 1994 nur Kagame als einzigen Präsidenten erlebt. Die Ruander brauchen jetzt einen Politiker, der das Erreichte bewahrt, sie aber auf die nächste Ebene bringt: nachhaltiger Frieden, nachhaltige Sicherheit, nachhaltige Entwicklung. Das Land kann in Frieden mit uns selbst und unseren Nachbarn leben, die keine Angst haben müssen, dass jemand sie angreift. Dann können wir Geschäfte machen und ohne Angst nach Burundi, Kongo, Sudan und Somalia reisen. Das ist mein Schwerpunkt.

Im Interview: Frank Habineza

geboren 1977 von ruandischen Eltern in Uganda, führt die Demokratische Grüne Partei Ruandas (DGPR) seit der Gründung 2009. Davor war er Journalist und Umweltaktivist.

Bei den letzten Wahlen 2017 wurde Kagame mit 99 Prozent wiedergewählt, dieselben Ergebnisse werden auch diesmal erwartet. Warum kandidieren Sie trotzdem?

Wir sind als Grüne Partei nicht darauf ausgerichtet, nur Zuschauer zu sein. Also haben wir entschieden, dass wir uns um das höchste Amt bemühen müssen, mit demokratischen Mitteln, denn wir glauben an Gewaltlosigkeit. Andere Leute sind überzeugt, dass sie lieber in den Krieg ziehen, um an die Macht zu gelangen. Wir aber glauben an den demokratischen Kampf durch Wahlen und nicht an den Einsatz von Waffen.

2017 erhielten Sie aber bloß 0,5 Prozent…

Es gab 2018 Parlamentswahlen, bei denen wir 5 Prozent erhielten und mit zwei Abgeordneten ins Parlament einzogen, dann ein Jahr später einen Sitz im Senat. Wir haben also drei Parlamentarier. In Ruanda ist es ein Erfolg, als Oppositionspartei überhaupt Parlamentssitze zu gewinnen. Und wir sind stolz darauf, dass über 70 Prozent unseres Wahlprogramms seitdem umgesetzt wurden.

Was haben Sie denn erreicht?

Die Regierung erhöhte die Lehrergehälter um 10 Prozent. Wir sagten, das reicht nicht. Ein paar Jahre später gab es 66 Prozent mehr für Grundschullehrer und 44 Prozent mehr für Oberschullehrer. Jetzt stehen noch die Hochschullehrer aus, aber der Rest ist geschafft. Das ist ein großer Erfolg. Wir forderten auch Schulspeisung für die Kinder. Denn die gab es vorher nicht. Am Ende richtete die Regierung ein gesetzliches Schulspeisungsprogramm ein, für öffentliche und private Schulen. Wir forderten auch höhere Gehälter für Soldaten und Polizisten, und sie wurden erhöht. Soldaten verdienen weniger als 100 US-Dollar im Monat. Ein weiterer Punkt: Eigentumstitel auf gepachtetes Land. Ich sagte, 20 Jahre genügt nicht, wenn man ein Haus gebaut hat. Am Ende wurden daraus 99 Jahre, verlängerbar, mit der Möglichkeit des vollen Eigentums am Ende.

Gab es auch Misserfolge?

Wahlen in Ruanda

In Ruanda wird am 14. und 15. Juli der Präsident und das Parlament gewählt. Amtsinhaber Paul Kagame strebt die Wiederwahl an. Er ist seit 2000 Staatschef und wurde 2003, 2010 und 2017 mit hohen Mehrheiten im Amt bestätigt. Im 80köpfigen Abgeordnetenhaus hält seine RPF (Ruandische Patriotische Front) mit Verbündeten 40 der 53 gewählten Sitze.

Die Ruandische Patriotische Front (RPF) entstand 1990 im Exil in Uganda, wohin zuvor zahlreiche Tutsi aus Ruanda vertrieben worden waren, unter anderem die Familie von Paul Kagame. Unter seiner Führung setzte sie 1994 in Ruanda dem vom damaligen Regime organisierten Völkermord an den Tutsi ein Ende und ergriff die Macht. Nur Parteien, die nicht am Völkermord beteiligt waren, sind seitdem in Ruanda zugelassen.

Die Demokratische Grüne Partei Ruandas (DGPR) wurde 2009 vom Journalisten Frank Habineza gegründet und 2013 zugelassen. Bei der Präsidentschaftswahl 2017 landete Habineza mit 0,5 Prozent auf dem letzten Platz. Bei der Parlamentswahl 2018 holte die DGPR 4,5 Prozent.

Es gibt Dinge, die wir noch nicht erreicht haben, etwa die Senkung der Mehrwertsteuer von jetzt 18 Prozent. Das ist eine schwere Last für viele Menschen. In Kenia haben sie sie gesenkt, dann kann Ruanda das auch. Im Rückblick würde ich aber sagen, dass wir insgesamt großen Einfluss auf die Politik und auf Gesetze hatten. Als ich 2017 über Schulspeisung sprach und versprach, dass die Kinder warmes Essen und etwas Obst bekommen, haben mich die Leute für verrückt erklärt. Heute ist es eine Tatsache in allen Schulen, die jeder sehen kann.

Sie glauben also, Sie könnten diesmal ein bisschen besser abschneiden?

Das hoffen wir.

Was sind Ihre Prioritäten für die Zukunft?

Nummer eins ist ein stärkerer Fokus auf Demokratie. In Ruanda gibt es noch Probleme mit der Meinungsfreiheit. Die Leute fühlen sich nicht frei, über Politik zu reden. Sie reden mehr über Fußball. Von Politik schrecken sie zurück. Wir haben nichts gegen die Gesetze, aber wenn man über den Präsidenten redet, machen die Leute nicht den Mund auf. Wir möchten mehr Meinungsfreiheit. Die meisten lokalen Medien haben kein Geld. So viele Radiosender haben dichtgemacht, weil die meiste Werbung an die öffentlichen Sender geht. Wir fordern deswegen einen Medienfonds. Die öffentlichen Sender sollten öffentlich finanziert sein, private Werbung in privaten Medien laufen.

Welche großen Probleme sehen Sie auf Ruanda zukommen?

Unsere größte Herausforderung ist derzeit der Klimawandel. Wir hatten letztes Jahr eine Flutkatastrophe, bei der im Westen und Norden des Landes über 100 Menschen starben. In den Provinzen im Osten haben wir hingegen anhaltende Dürren, Kühe sterben und die Ernte verdorrt. Manchmal muss die Regierung zwei, drei, vier Monate lang Lebensmittel verteilen, während die Bauern auf die nächste Ernte warten. Ohne Ernährungssicherheit gibt es keine Wirtschaft. Wir verlassen uns auf Importe aus Bangladesch, aus Taiwan, sogar Reis und Mais aus Sambia und Uganda. Daher haben wir nicht genug zu essen. Wir müssen Handel treiben, aber genug für uns selber haben. Ruanda hat auch genmanipulierte Nahrung zugelassen. Ich habe im Parlament dagegen gestimmt. Wir brauchen mehr natürlichen Dünger und weniger Pestizide. Wir brauchen Nahrung, die uns nicht krank macht. Genmanipulierte Nahrung hingegen zerstört die Menschen, sogar die Böden und das Saatgut.

In Ihrem letzten Parteiprogramm war ein wichtiger Aspekt die Reform der Justiz. Seit dem Völkermord 1994 sind die Gefängnisse immer noch heillos überfüllt. Wie werden Sie das weiterverfolgen?

Da gibt es immer noch viel zu tun. Wir haben vor Kurzem im Parlament die sogenannte ‚vorläufige Inhaftierung‘ angesprochen: Eigentlich dürfen Menschen nur 30 Tage lang vorläufig inhaftiert werden. Aber in vielen Fällen sitzen sie über zwei Jahre im Gefängnis ohne Anklage. Sie haben oft keine Chance, die Regierung zu verklagen, sie illegal eingesperrt zu haben. Wenn sie dies tun würden, dann wäre ihr Ruf zerstört, ihre Familie, ihr Einkommen. Also sagen wir jetzt, wir müssen das ändern und einen Fonds für diese Menschen einrichten, der die Sicherheitsorgane zwingt, mit diesen illegalen Haftaufenthalten aufzuhören.

Ruanda hat wegen des Flüchtlingsdeals mit Großbritannien Schlagzeilen gemacht. Der ist mit dem Regierungswechsel in London zwar tot, aber wie stehen Sie dazu?

Wir unterstützen das nicht. Wir stimmten im Parlament dagegen. Wenn Leute nach Großbritannien fliehen, sollte Großbritannien sich um sie kümmern. Die britische Wirtschaft ist größer als die ruandische. Wenn Großbritannien die Flüchtlinge zurückschicken will, müsste Frankreich sie aufnehmen, von wo sie gekommen sind, nicht Ruanda. Sie wollten nach Europa und haben viel gelitten, um dort hinzukommen, durch die Sahara, über das Mittelmeer, durch Deutschland. Der Deal ist nicht nachhaltig, er ist völkerrechtswidrig. Und das Geld, das Großbritannien Ruanda dafür zahlen will, wird nur fünf Jahre lang fließen. Man könnte damit in Großbritannien diesen Menschen helfen. Wir nehmen Migranten auf, die zu uns kommen wollen, aber diese wollen nicht nach Ruanda. Es sind nicht unsere Flüchtlinge.

Beim letzten Mal fast 99 Prozent: Wahlkundgebung der regierenden RPF in Busogo, Ruanda, 22. Juni Foto: Jean Bizimana / reuters

Ruanda steht auch wegen des Krieges in der Demokratischen Republik Kongo in der Kritik. Machen Sie sich Sorgen, dass Ruanda isoliert werden könnte?

Es gibt viele internationale Appelle, das Problem in der DR Kongo zu lösen, aber das geht nicht nur Ruanda etwas an. Kongo und die Nachbarn haben sich immer wieder getroffen und Vereinbarungen getroffen, aber die werden nicht umgesetzt. Es ist nicht hilfreich, über Frieden zu sprechen und dann die Ergebnisse nicht umzusetzen. Es geht um Kongo, nicht um Ruanda.

Aber Ruandas Präsident warnt immer vor der Völkermordideologie im Kongo, die Ruanda bedroht. Ist das wirklich eine echte Bedrohung?

Ja. Die Völkermörder, die nach 1994 in den Kongo geflohen sind, bedrohen Ruanda bis heute. Auch wenn es nur fünf Leute sind – wenn sie bewaffnet sind, können sie dich angreifen. Ich höre, es sind über 1.000. Viele sind sehr erfahren und gut ausgebildet, sie haben finanzielle Mittel und Unterstützung von Jugendlichen. Man kann das also nicht ignorieren. Es ist keine Ausrede für Ruanda, sondern eine Bedrohung. Dies verstärkt auch die Probleme für uns in Ruanda, denn sobald man einen Dialog mit diesen Tätern fordert, wird einem vorgeworfen, für den Feind zu sprechen.

Wenn die Bedrohung von außen verschwinden würde, gäbe es dann auch innerhalb des Landes mehr Meinungsfreiheit?

Ja, denn oft dient das Bedrohungsszenario als Vorwand, um Freiheiten zu verringern. Wenn wir also die Chance bekommen, diese Bedrohungen von außen definitiv zu reduzieren, wären wir innerhalb Ruandas glücklicher, glaube ich.

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