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■ Roms Schüler zum vegetarischen Mensaessen gezwungenSalat für Linda

Rom (taz) – Nein, es war kein verspäteter Aprilscherz, auch wenn sich Roms Mütter und Väter die Augen rieben, als sie die Mitteilung lasen: Am vergangenen Donnerstag sollten die gut einhunderttausend Mädchen und Jungen, die in den Elementar- und Mittelschulen Roms Mensaessen erhalten, ausschließlich vegetarische Gerichte auf ihren Tischen vorfinden, in der Hauptsache Salat und Karotten.

Die Verabreichung des bei Kindern normalerweise nicht eben beliebten Grünzeugs hatte einen tiefen Grund, der bereits im Namen des Sonderessens anklingt: Menü für Linda. Gedacht werden sollte damit der Frau des Beatles-Stars Paul McCartney, der vor zwei Wochen verstorbenen Linda McCartney. Die war bekanntlich begeisterte Vegetarierin und hat dem Kampf gegen das Fleischessen einen Teil ihres Lebenswerks gewidmet.

Die Idee zum Verzicht auf alles Fleischliche hatte die Stadtdezernentin für Schul- und Erziehungsfragen in Rom, Fiorella Farinelli, die als Linksunabhängige in den Stadtrat gewählt worden war und im Hauptberuf Lehrerin ist und die seit jeher die Beatles glühend bewundert hat. In ihrer Jugend ist sie Tausende von Kilometern gereist, um ihre Idole live zu sehen, ihre Tochter bekam, was sonst auch, den Namen Linda.

Nun sind freilich keineswegs alle Eltern römischer Schulkinder Beatles-Fans, und nur wenige sind im gaumenfreudigen caput mundi auch vom Wert vegetarischer Kost überzeugt. Und so sah denn auch sofort mancher sonst eher unbekannte Rathauspolitiker hier eine Chance zur Profilierung. Weshalb das Projekt sofort zur Satire auszuarten begann.

Gut gut, sagte beispielsweise ein Stadtverordneter der Nationalen Allianz, gedenken wir der toten Linda mit Salat. Aber was macht man bei den Feiern zum Todestag des Reichseinigers Garibaldi? Dessen Leibgericht waren schließlich Froschschenkel. „Wollen wir die vor einigen Jahren abgeschaffte Jagd auf die Amphibien wiedereröffnen?“

Oder wie hält man es mit dem verstorbenen, aber immer noch höchst populären Staatspräsidenten Pertini, dem Kutteln und andere Innereien über alles gingen – was aber nun erwiesenermaßen ganz und gar nicht jedermanns Geschmack ist? Und wie ist es mit dem Europa-Vorkämpfer und achtmaligen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi, dessen Vorliebe riesigen, zwei Finger dicken und halbrohen Rindskoteletts galt? Was sagt die BSE-Vorsorge dazu?

Stadtdezernentin Farinelli sah sich in die Defensive gedrängt. Eher kläglich verwies sie darauf, daß ihre Anordnung doch nur einem Appell von Paul McCartney gefolgt war, der fleischlos essen als „die beste Art, Lindas zu gedenken“, bezeichnet hatte. Überdies sei vegetarisch essen doch unabhängig von Linda McCartney ein Wert an sich und auch höchst gesund.

Das aber wiederum rief den Verband der Gastwirte und den der Köche auf den Plan, die ihre vielfältigen Fleischgerichte nicht als ungesund hingestellt wissen wollten. Umgekehrt fragten aber auch viele Eltern, warum man denn, wenn vegetarisch sooo gesund sei, den Kindern diese Mahlzeiten nur ein einziges Mal verabreiche. Eine Elternvereinigung hatte sogar, Linda hin, Linda her, die Überprüfung des gesamten Mensaessens auf Kindertauglichkeit angekündigt.

Wieder einmal zeigte sich: Selbst mit so gut gemeinten Initiativen wie dem „Menü für Linda“ kann man schlafende Hunde wecken, die man dann nicht so leicht wieder los wird. Werner Raith

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