Roman von Djaïli Amadou Amal: Gottgewollte Zwangsheirat
In Frankreich wurde sie zur Autorin des Jahres gewählt: „Die ungeduldigen Frauen“ ist das erste Werk Amals, das auf Deutsch vorliegt.
Es gibt Passagen in diesem Buch, die klingen wie Prosagedichte, die Anrufungen der Eltern durch die Braut etwa, in Teil eins. Und es gibt Sätze darin, die sind wie Schläge, hart und direkt: „Als ich neben ihm im Bett liege“, heißt es im Roman „Die ungeduldigen Frauen“ von Djaïli Amadou Amal, „vergewaltigt er mich zum Trost.“
Es ist bereits der dritte Roman der kamerunischen Autorin, aber der erste, der auf Deutsch vorliegt. Die Urfassung, „Munyal oder die Tränen der Geduld“, war 2017 auf Französisch in Yaoundé erschienen, erhielt in der Folge den panafrikanischen Literaturpreis „Prix Orange du Livre“ und avancierte zur Pflichtlektüre in Kameruns Baccalauréat-Klassen.
Vor diesem Hintergrund befremdet, dass das Werk, um in Frankreich vermarktet zu werden, einer auf die dortigen Lesegewohnheiten zurechtgestutzten Fassung bedurft hatte.
Diese, mit dem „Prix Goncourt des Lycéens“ und kürzlich noch mit der „trophée spéciale“ des Buchhandels „für die Autorin des Jahres“ ausgezeichnet, liegt auch der deutschen Ausgabe zugrunde. In einer Prosa, die alle sprachlichen Register von brutaler Direktheit bis zu poetischer Zartheit ausschöpft, erzählt Amal darin die Ehehöllen dreier zwangsverheirateter Frauen – jeweils aus deren Perspektive: Jede der drei Geschichten steht für sich, macht einen eigenen Teil des Buchs aus – und zugleich sind sie kunstvoll miteinander verwoben.
Djaïli Amadou Amal: „Die ungeduldigen Frauen“. Aus dem Französischen von Ela zum Winkel. Orlanda-Verlag, Berlin 2022, 176 Seiten, 18 Euro
Als Teenager wurde die Autorin zwangsverheiratet
Die Verdreifachung des Ich verhindert klug eine plump autobiografische Lesart, wahrt aber die Unmittelbarkeit des Erlebens. Beides ist wichtig. Denn Amadou Amal war als Teenagerin zwangsverheiratet worden, durch ihre Onkel an einen alten, stinkreichen Knacker regelrecht verkauft. Als sie sich nach sechs Jahren aus dieser Ehe hat befreien können, schließt sie, möglicherweise zur Ehrenrettung, eine zweite mit einem brutalen Alkoholiker. Dem entflieht sie 2008.
Was die Protagonistinnen ihres Buchs erleben, also die gebildete Ramla mit den ehrgeizigen Zielen, und ihre kindliche Schwester, die zarte Hindou, aber auch Saifa, die alternde Erstfrau, darüber sagt die Autorin: „Alles, was diese Frauen erleben, habe auch ich erlebt.“ Zugleich aber zielt sie aufs Überpersönliche: „Das Ich der drei Frauen ist die Stimme aller Frauen der Sahel-Zone.“
Und ihr Ohr. „Munyal!“, also Gedulde dich!, auf Fulfulde, Amals Muttersprache, dieser Spruch strukturiert als ein Kehrvers den Roman: Die Frauen bekommen diesen Rat nach jeder Misshandlung von Neuem zu hören. Quälend lässt Amal miterleben, wie diese Aufforderung zur Unterwerfung jede Möglichkeit vernichtet, das eigene Leid auch nur zu artikulieren. Sich zu beklagen, erscheint ein schuldhafter Verstoß gegen die gottgewollte Ordnung.
Polygamie als Gegenstück zur Zwangsheirat
Das System der Polygamie als korrespondierendes Gegenstück zur Zwangsheirat untergräbt dabei jeden Gedanken an Solidarität. So sieht Saifa sich durch die Zweitheirat ihres Mannes, mit dem sie seit 20 Jahren zusammenlebt, bedroht. Sie erblickt in Ramla eine Konkurrentin. Deren Verzweiflung will sie nicht wahrnehmen.
Sie spinnt Intrigen, streut Gerüchte. Mit Magie – in Kamerun ist Hexerei ein anerkannter Straftatbestand – erobert sie ihren Mann zurück. Auf Empfehlung einer zentralafrikanischen Marabout mischt sie ihm einen Cocktail aus Scheidensekret und Sperma „in alles, was er in den Mund nimmt“. Viagra nutzt sie auch.
Gut lesbar ist Ela zum Winkel die Übersetzung geraten, auch wenn sie mal hintertrieben schreibt, wo durchtrieben gemeint ist. Feinnervig hat sie die Lyrismen des Texts und die Stimmungslagen der drei Frauen in ihren Schattierungen ins Deutsche transferiert – bis hin zum aufblitzenden Sarkasmus: „Und wenn ein unglücklicher Schlag mich umbringen sollte, dann wird es eben Allahs Wille gewesen sein“, heißt es in einer seltsamen Mischung aus Aufmüpfigkeit und Resignation, die Hindou charakterisiert. Denn Widerstand ist Blasphemie.
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