Roman „Sweetest Fruits“: An der Seite eines Sonderlings
Der Reiseschriftsteller Lafcadio Hearn prägte das westliche Bild Japans. In ihrem neuen Roman verarbeitet US-Autorin Monique Truong seine Biografie.
Obwohl hierzulande kaum bekannt, prägte Lafcadio Hearn mit seinen ab 1890 verfassten Erzählungen und Berichten aus dem Land der aufgehenden Sonne nachhaltig das westliche Bild Japans. Für den 1850 auf der ionischen Insel Lefkas geborenen griechisch-irischen Schriftsteller wurde der Aufenthalt in Japan zum finalen Bestimmungsort nach einem wechselhaften, von Schicksalsschlägen gezeichneten Leben. Unter dem Namen Koizumi Yakumo starb Hearn 1904 in Tokio.
Vor dem Hintergrund seiner Biografie entwickelt „Sweetest Fruits“, der jüngste Roman von Monique Truong, anhand historischer Quellen die literarische Erzählung über drei außergewöhnliche Frauen. Rosa Antonia Cassimati, Alethea Foley und Koizumi Setsu begleiteten Hearn in unterschiedlichen Lebensabschnitten auf verschiedenen Kontinenten.
Monique Truong: „Sweetest Fruits“. Aus dem Englischen von Claudia Wenner. C. H. Beck, München 2020, 347 Seiten, 23 Euro
Seine griechische Mutter Rosa musste nach der Annullierung der Ehe das Kind bei den irischen Verwandten ihres Gatten zurücklassen. Als junger Auswanderer heiratet Hearn die ehemalige Sklavin Alethea in Cincinnati, Ohio. Ihre Verbindung wurde gesellschaftlich nicht geduldet und war nur von kurzer Dauer.
Nach Stationen in New Orleans, New York und den französischen Antillen reiste Hearn 1890 im Auftrag der Zeitschrift Harper’s New Monthly nach Japan. Dort arbeitete er schon bald als Lehrer für englische Literatur und gründete eine Familie mit Koizumi Setsu, der Tochter eines ehemaligen Samurai.
Als Journalist nach Japan
Bereits in ihrem Roman „Das Buch vom Salz“ (2004) über den vietnamesischen Koch Binh im Hause Gertrude Steins in Paris bearbeitete die 1968 in Saigon geborene US-amerikanische Autorin eine historische Episode literarisch aus der Perspektive einer Randfigur.
Durch die Herausgeberschaft einer Sammlung von Hearns Reportagen „Vom Lasterleben am Kai“ (2017) mit seinem Werk bestens vertraut, gelingt Truong mit „Sweetest Fruits“ nun eine hintergründige Auseinandersetzung sowohl mit dem wandlungsfähigen Autor als auch mit den außergewöhnlichen Frauen an seiner Seite.
Die Ehe mit dem halbseitig erblindeten Außenseiter bedeutete für Alethea Foley genauso wie für Koizumi Setsu einen Bruch mit gesellschaftlichen Konventionen. Obwohl den beiden Frauen der Alltag mit dem Schriftsteller Freiheiten eröffnete, gestaltete sich der Umgang mit ihm nicht wirklich auf Augenhöhe.
Die Partnerinnen blieben namenlos
Hearn, der in seinen Reportagen oftmals von den Rändern der Gesellschaft berichtete und fasziniert war von den mündlichen Überlieferungen fremder Kulturen, ließ das kulturelle Wissen der Ehefrauen dankbar in seine lebendig verfassten Veröffentlichungen einfließen. Doch als Partnerinnen blieben sie darin namenlos. Im Roman begegnet der junge Hearn besonders der Afroamerikanerin Alethea mit einer diffusen Mischung aus Überlegenheit und exotischen Projektionen.
In drei abgeschlossenen Erzählungen gibt Truong den Frauen im Leben Hearns eine eigene Stimme. Sie zeigt sowohl deren zaghaftes Streben nach Selbstbestimmung wie auch die Zerrissenheit des virtuosen Schriftstellers auf. Durch Auszüge aus Elizabeth Bislands 1906 veröffentlichten Erinnerungen „The Life and Letters of Lafcadio Hearn“ kontrastiert und ergänzt der Roman diese andere Perspektiven wirkungsvoll mit der überlieferten, offiziellen Version.
Die Journalistin und Weltreisende hatte den eigentümlichen Schriftsteller 1880 in New Orleans kennengelernt. Über alle Distanzen hinweg unterhielt sie zu Hearn bis zu seinem Tod eine freundschaftliche Korrespondenz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!