Roma in Niedersachsen: Abschiebung nach 28 Jahren

Die Romni Suzana S. und ihre fünf Kinder wurden in Deutschland geboren. Nun will sie der Landkreis Emsland in Niedersachsen abschieben.

Ein Minijob reicht nicht zum Bleiben: Susana S. mit zweien ihrer fünf Kinder. Bild: Marko Schnitker

HAMBURG taz | Seit 28 Jahren lebt Suzana S. in Deutschland. Sie ist eine alleinerziehende Mutter von fünf Kindern: Die fünf- bis 14-jährigen Leonard, Ibrahim, Leonora, Luan und Laura gehen in ihrer Heimat Geeste zur Schule und haben hier ihre Freunde.

Geeste ist ein kleines Dorf im Kreis Meppen. S. hat die gleichen Probleme wie die Mütter der anderen Schulkinder, hat es ebenso schwer wie andere Alleinerziehende, arbeitet nebenbei, um die Familie durchzubringen. Nur: S. und ihre Kinder haben keinen deutschen Pass. Im April 2014 entschied deshalb der Landkreis Emsland, Suzanna S. solle mit ihren fünf Kindern nach Serbien ausreisen.

Suzana S. ist 32 Jahre alt und genauso wie ihre Kinder in Deutschland geboren. Als sie fünf Jahre alt war, lebte Suzana mit ihren Eltern für vier Jahre in Serbien, aber serbisch kann sie nicht. Das Emsland ist ihre Heimat und für ihre Kinder gilt das sowieso. „Ich fühle mich wie eine Deutsche“, sagt sie. Die Abschiebungsandrohung der Ausländerbehörde im Emsland kann sie nicht fassen.

„Ich weiß nicht, wie ich meine Kinder in Serbien ernähren soll. Wir werden da auf der Straße leben müssen“, sagt S. Sie und ihre Kinder sind Roma. Viele Angehörige der Minderheit leiden in Serbien unter Schikanen der Behörden und sind rassistischen Angriffen aus der Bevölkerung ausgeliefert. S.' Anwalt Jan Sürig war in Serbien und weiß um die Situation: „Noch heute leben Roma in Serbien zwangsweise am Rande der Gesellschaft in oft menschenunwürdigen Verhältnissen. Sie werden in praktisch allen Alltagsbereichen diskriminiert.“

Doch die Diskriminierung von Roma in Serbien wird in Deutschland grundsätzlich nicht als Abschiebehindernis betrachtet. Und auch in Deutschland geboren zu sein und hier seit 28 Jahren zu leben, reicht gesetzlich nicht für einen gesicherten Status.

Viele Jahre erhielt die Familie nur Duldungen. „Eine enorme Diskriminierung!“, sagt Anwalt Jan Sürig. In der Schule etwa durften die Kinder viele Freizeitaktivitäten nicht mitmachen, weil sie als Geduldete das Land nicht verlassen dürfen. Das Emsland liegt an der Grenze zu Holland und die Klassenreisen fanden oft dorthin statt.

Anträge abgelehnt

Die vielen Anträge für eine Aufenthaltserlaubnis wurden abgelehnt. Dann, im Januar 2013, erhielten Suzana und ihre fünf Kinder für fünf Monate eine Aufenthaltserlaubnis – indirekt, weil der getrennt lebende Vater der Kinder eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte und somit hier bleiben durfte.

Ebenso indirekt ist diese Erlaubnis nun erloschen: Als Suzana S. ihre Aufenthaltserlaubnis vor ein paar Monaten verlängern wollte, lehnte die Behörde ab. Der getrennt lebende Vater hatte mittlerweile keine Aufenthaltserlaubnis mehr und war auch zur Ausreise aufgefordert worden.

Es sei „nicht ersichtlich“, schrieb die Behörde, dass S. und ihre Kinder besondere Integrationsleistungen erbracht hätten – außer den Sprachkenntnissen und dem Schulbesuch. Der Landkreis Emsland begründet die Entscheidung damit, dass S. Sozialleistungen erhalte. Dass sie immerhin fünf Kinder alleine großzieht und sogar nebenbei als Minijobberin in einer Bäckerei arbeitet, das berücksichtigt der lange Bescheid vom Landkreis Emsland nicht. „Es wurden keine Vorgaben bezüglich des erklärten Paradigmenwechsels in der Migrationspolitik gemacht, die zu einer anderen Entscheidung hätten führen können“, heißt es in dem Bescheid.

„In der jüngeren Vergangenheit ist kein so dramatischer Fall bekannt, wie dieser hier“, sagt Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat Niedersachsen. Aktuell sind Menschen mit einer Duldung in Niedersachsen auch dann rechtlich nicht gesichert, wenn sie schon jahrelang in Deutschland leben. Ihnen kann jeder Zeit die Abschiebung drohen.

Es sei ein neuer Erlass notwendig, der Menschen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die faktisch in Deutschland verwurzelt sind, so Walbrecht. Das solle unabhängig davon sein, ob sie ihren Lebensunterhalt alleine sichern. Niedersachsen sei lange durch rigoroses Vorgehen gegen Roma-Familien aufgefallen, da den Abschiebungen rechtlich nichts im Wege stand. Jan Sürig ist der gleichen Meinung: „Das ist ein Problem in Niedersachsen. In Bremen ist es nicht so.“

Humanitäre Politik

Dabei hat die rot-grüne Koalition in Niedersachsen angekündigt, einen Paradigmenwechsel zu einer humanitären Abschiebungspolitik vorzunehmen. Zudem möchte sie eine „Willkommenskultur in den Ausländerbehörden“ etablieren.

Das scheint im Emsland nicht zu funktionieren. Die Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde, der Familie keinen Aufenthalt zu gewähren, hat Anwalt Sürig angefochten. Nun soll das nächst höhere Gericht entscheiden.

Auf Anfrage der taz verwies das Niedersächsische Innenministerium die Familie an die Härtefallkommission, um ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Auch der Flüchtingsrat meint, dort könnten sie bessere Erfolgschancen haben. „Alles andere ist schwierig und belastend für die Familie“, sagt auch Meta Janssen-Kucz, die innenpolitische Sprecherin der Grünen in Niedersachsen. Sie sieht den Weg über die Härtefallkommission als eine große Chance für die Familie, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Der angekündigte Paradigmenwechsel sei jedoch „ein mühseliges und zähes Geschäft“, da Veränderungen auf Bundesebene viel Zeit in Anspruch nehmen würden.

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