Rollstuhl-Sportlerin über ihre Karriere: „Ich bin krisenfest“
Ihren rechten Fuß verlor sie nach einem Arztfehler mit sieben. Heute ist Mariska Beijer eine der erfolgreichsten Rollstuhl-Basketballerinnen der Welt.
taz: Frau Beijer, wie sind Sie beim Rollstuhl-Basketball gelandet?
Mariska Beijer: Mein Fuß wurde amputiert, als ich sieben war. Ich kann damit aber alles machen. Zuerst wollte ich Badminton spielen, aber ich hatte Probleme mit seitlichen Bewegungen. Also habe ich Rollstuhl-Badminton ausprobiert. Das war okay, aber ich habe etwas vermisst. Einer der Teamkollegen spielte damals auch Rollstuhl-Basketball und lud mich ein. Es war unglaublich, als ich das erste Mal in die Halle rollte – das Gebrüll, das Tempo, das Team. Ich bin nie wieder davon weg.
Sie haben in sehr jungen Jahren eine schwere Krankheit erlebt. Wie war das für Sie?
Mit eineinhalb bin ich die Treppe runtergestürzt und habe mir den rechten Oberschenkel gebrochen. Das war zwischen zwei Chemotherapie-Sitzungen, ich hatte damals einen Nierentumor. Im Krankenhaus lief dann alles schief. Der Gips wurde zu eng angelegt, das hat den Blutfluss gestoppt. In den folgenden sechs Jahren wurde ich mehr als 25 Mal operiert. Ich hatte extreme Schmerzen. An die Zeit erinnere ich mich glücklicherweise kaum. Dann wurde endlich mein Fuß amputiert und die Schmerzen waren weg.
Sind Sie wütend auf den behandelnden Arzt?
Er hat auch bei anderen Kindern versagt. Aber ich bin nicht wirklich wütend, ich lebe jetzt ein gutes Leben. Ich bin nicht sicher, ob ich dieses Leben auch ohne die Amputation führen würde.
28, spielt bei Hannover United in der deutschen Rollstuhl-Basketball-Bundesliga (RBBL) und ist niederländische Nationalspielerin. Sie ist Welt- und Europameisterin.
Wie hat die Erfahrung Sie denn verändert?
Ich bin krisenfest. Aufgeben ist nicht mein Ding.
Wer auf Ihrer Website und in den sozialen Medien stöbert, sieht einen sehr lebensfrohen Menschen. Was muss passieren, damit Sie wütend werden?
Während eines Spiels wurde ich hart ins Gesicht geschlagen, und der Typ hat sich nicht mal entschuldigt. Ich habe ihn angebrüllt, am liebsten hätte ich einen Basketball in sein Gesicht geworfen.
Wie funktioniert die Klassifizierung, die einen Ausgleich zwischen den verschieden starken Behinderungen schaffen soll?
Ich bin eine 4.0. Menschen, die nur kaputte Knie haben, sind eine 4.5, weil sie alle Muskeln in ihrem Körper nutzen können. Querschnittsgelähmte Menschen können das nicht, ihnen fehlt dadurch Kraft und Balance. Die haben die Klasse 1.0. Auf dem Spielfeld dürfen insgesamt nur 14,5 Punkte sein.
In der Liga spielen Männer und Frauen zusammen in Teams. Wie geht das?
Als Frau bekomme ich einen Abzug, spiele also als 2.5. Das ist fair, weil Frauen im Durchschnitt nicht so stark sind wie Männer. Für eine Frau bin ich aber super stark.
Sind Sie eigentlich berühmt in Ihrem Heimatland, den Niederlanden?
Berühmt ist übertrieben. Aber wo ich wohne, kennen die Leute mich.
Nutzen Sie die öffentliche Aufmerksamkeit?
Ja, so gut es geht. Ich versuche, den Sport weiterzuverbreiten. Ich gebe gerne Interviews. Es ist wichtig, unsere Geschichten zu erzählen. Daneben ist es natürlich gut, meinen Namen für potentielle Sponsoren zu verbreiten.
Können Sie denn vom Basketballspielen leben?
Es ist nicht viel, aber es geht. Die RBBL ist neben Spanien eine der professionellsten Ligen.
Vor dem Shutdown hatten Sie mit Hannover gerade das erste Playoffspiel gewonnen …
... wir haben dominiert!
Wie war der Saisonabbruch für Sie?
Erleichternd, weil ich als Asthmatikerin zur Risikogruppe gehöre. Und traurig – weil mein eigentlich viertägiger Aufenthalt in den Niederlanden bis heute andauert. Meine Teamkollegen sehe ich nur online.
Und dann wurden auch die Paralympics abgesagt.
Verschoben!
Natürlich. Ihr Ziel ist Gold?
Ja. Ich habe zweimal Bronze, ich will jetzt eine andere Farbe.
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