Rohkostmesse im politischen Graubereich: Rohkost und Geflüchtete
Im FEZ sind seit letztem Jahr Geflüchtete untergebracht. Dort bot die Rohkostmesse „Rohvolution“ viel Futter – vor allem für Verschwörungstheorien.
Irgendwo hier sollte es also zur Revolution gehen: Am 9. und 10. April 2016 fand in den Hallen des FEZ die Rohkostmesse „Rohvolution“ statt. Die Messebesucher freuten sich über Grünkernburger, vitaminreiche Smoothies und Naturkosmetik. Gäste und Standbetreiber tauschten sich begeistert über Alternativen zu industriell hergestellten Lebensmitteln aus, klärten sich gegenseitig über ungesunde Zusatzstoffe auf, und der eine oder die andere wurde langsam damit auch angefüttert, in das weite Feld von Verschwörungstheorien einzutauchen.
Denn anstatt an gesellschaftspolitischen Veränderungen zu arbeiten, konnte man auf dieser Messe für beinahe jedes Problem die Lösung kaufen: Wer Strahlungen des Handys fürchtet, kann sie für den vergünstigten Messepreis von 20 Euro entfernen lassen. „Harmonisierung“ heißt das hier. Für 45 Euro wird auch das Laptop „geheilt“. Knapp 200 Euro gibt man für eine Seelenfarben- und Persönlichkeitsberatung aus und für 4.599 Euro kommt dauerhaft Lebensenergie in das Wasser zu Hause. „Auf 15 Jahre gerechnet, sind das aber nur 14 Cent am Tag“, gibt der Mitarbeiter zu bedenken.
Auch Aids gibt es nicht
Das Eigenheim kann auch komplett von belasteten Erdenergien befreit werden. So soll chronischen Entzündungen, Krebs und Kinderlosigkeit entgegengewirkt werden. Wer das Literaturangebot durchstöberte, stieß auf Titel wie „Aids – Die Krankheit, die es gar nicht gibt“. Eine ältere Frau griff zur Broschüre der „Germanischen Neuen Medizin“. Ihr wurde darin versprochen, dass die Heilungschancen für Krebs mit dieser Alternative bei 99 Prozent liegen. Die sieben Euro für das Heftchen gab die Dame gerne aus.
Auch zum politischen Topthema gab es viel Verschwörung und wenig Revolution: Im Artikel „Das Flüchtlingstheater – Wenn Mitleid zur Falle wird“ konnte man sich davon überzeugen lassen, dass es sich bei der medialen Darstellung der Krise um ein Ablenkungsmanöver handelt. Bei diesem sollen Deutsche angeblich von Kindesmissbrauch und gefährlichem Junk-Food abgelenkt werden. Das brisante dabei: Die Mehrzweckhalle nebenan dient seit Herbst letzten Jahres als Notunterkunft für Geflüchtete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!