Risiken verheimlicht: Finanzkrise erreicht deutsche Anleger
Große Risiken bergen besonders Zertifikate, also Privatdarlehen an Banken. Vielen Eigentümern solcher Papiere droht der Totalverlust. Giro- und Sparkonten dagegen gelten noch als sicher.
Mit der Finanzkrise wächst die Wut auf Deutschlands Banken und Sparkassen. Um trotz ausgetrockneten Kapitalmarkts Liquidität bereitzustellen, hätten viele deutsche Institute mangelhaft beraten und Risiken verheimlicht, sagt Volker Pietsch vom Deutschen Institut für Anlegerschutz (Dias): "Da wurden Verkaufsmethoden angewandt, wie wir sie sonst nur von dubiosen Anbietern am grauen Kapitalmarkt kennen."
Beispiel Zertifikate: Groß- und Genossenschaftsbanken wie Sparkassen haben diese Privatdarlehen, etwa an die insolvente US-Investmentbank Lehman, gern verkauft - auch unter der Bezeichnung "Garantie-Zertifikat". Doch die als Vermittler tätigen deutschen Bankberater erwähnten offenbar oft nicht, dass sich diese Garantie nur auf den Emittenten - also Lehman - bezog. "Nach Anlegerberichten verdichtet sich der Eindruck, dass die wahren Risiken nicht dargestellt wurden", sagt Pietsch.
Jetzt droht den Sparern, darunter vielen Kleinanlegern, der Totalverlust. Obwohl in vielen Beratungsgesprächen offenbar der Eindruck vermittelt wurde, die Zertifikate seien in jedem Fall sicher, gilt bei Pleiten wie im Fall Lehman der "Rang-Rücktritt": Alle anderen Gläubiger werden vorrangig bedient. Pietsch spricht von "zehntausenden Fällen". Auch bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) haben sich bereits über 1.000 Anleger gemeldet, die von der Lehman-Pleite kalt erwischt wurden. "Wir prüfen im Moment, ob die Risiken der Zertifikate in den Prospekten der vermittelnden Banken falsch dargestellt wurden", so DSW-Sprecher Marco Cabras zur taz.
Bei einigen in Deutschland tätigen Banken sind nicht einmal alle Giro- oder Tagesgeldkonten gegen den Krisenfall vollständig abgesichert. So lockt etwa die luxemburgische Advanzia Bank ihre deutschen Kunden zwar mit hohen Zinsen auf Tagesgeldeinlagen, abgesichert sind die Einlagen aber nach luxemburgischen Recht nur bis zu 20.000 Euro. Als zuverlässiger gelten hingegen die Sicherungssysteme des auf drei Säulen beruhenden deutschen Banksystems. Die Genossenschaftsbanken - also die Volks- und Raiffeisenbanken - vertrauen wie die Sparkassen untereinander auf eine sogenannte Institutssicherung.
Das Rettungsboot der 1.200 Volks- und Raiffeisenbanken ist aus einem Garantiefonds gezimmert, in das sich ein angeschlagenes Institut retten kann. Für die 450 Sparkassen zeichnet sich ein verkraftbares Minus von etwa 300 Millionen Euro ab. Die privaten Großbanken wie die Deutsche oder die Commerzbank setzen dagegen auf einen Sicherungsfonds, der im Fall einer Pleite die einzelnen Kunden entschädigen soll - dabei kann es auch um Millionen Euro gehen, denn jeder Sparer ist mit bis zu 30 Prozent des Eigentkapitals der insolventen Bank abgesichert. Über die Größe dieses Fonds macht der Bundesverband Deutscher Banken (BDB) keine Angaben - Insider rechnen aber mit Rücklagen von über 7 Milliarden Euro. Insgesamt dürfte das Gesamtvolumen aller Sicherungsfonds bei 2 bis 3 Prozent der insgesamt versicherten Einlagen liegen.
Ausgelegt sind diese Sicherungssysteme also immer nur auf die Pleite einzelner Institute, nicht aber auf eine Welle von Bankpleiten. "Hypothetisch" sei die Frage nach einer solchen Pleitewelle etwa als Folge eines Erdbebens an der Wall Street, sagt ein Anlegerschützer. "Irgendwann ist immer Schluss", warnt dagegen ein anderer Finanzexperte. Erste Anleger überlegten bereits, ob nicht eine Flucht in Immobilien sinnvoll sei: "Wir stehen am Abgrund."
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