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Risiken des alpinen SkisportsOperation Berühmtheit

Mikaela Shiffrin will trotz Verletzung ihren 100. Weltcup-Sieg. Die Zwänge des Sportbusiness besiegen alle Zweifel, die ihr der Körper anzeigt.

Sturz mit Folgen: Mikaela Shiffrin Ende November in Killington/Vermont Foto: Bukaty/dpa

V ergangene Woche musste sich die US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin, eine erfolgreiche, wenn nicht gar die erfolgreichste Skifahrerin der Wintersportgeschichte, einer, wie sie sagt, „unerwarteten“ Operation unterziehen, eine Folge eines Sturzes vor zwei Wochen in Killington, Vermont. Da hatte sie sich beim Riesenslalom verkantet und war vornüber in den Fangzaun geflogen. Ein Einstich im Unterleib, vermutlich vom Skistock verursacht, hinterließ einen Hohlraum. Bei Shiffrin löste sich das Hämatom nicht von alleine auf, es musste operiert werden.

Soweit, so ärgerlich für die 29-Jährige, aber leider auch nicht ganz unnormal im alpinen Skizirkus. Kein Sportler und keine Sportlerin bestreitet hier die Karriere ohne wochen- und monatelange Krankenhausaufenthalte.

Für die einen ist Mikaela Shiffrin weiterhin der Star der Szene, andere hingegen nehmen sie als früheren Star wahr. Ihr Ziel, nach 99 Weltcup-Siegen die 100er-Marke zu knacken, sorgt dafür, dass ihr Umgang mit ihrem Körper immer – wie soll man sagen? – unachtsamer wird. Jedenfalls kämpft Shiffrin schon lange nicht mehr nur auf den Skipisten dafür, dass sie ein Star bleibt – mit den dazugehörigen Einnahmemöglichkeiten.

Shiffrin kämpft schon lange nicht mehr nur auf den Skipisten dafür, dass sie ein Star bleibt.

Noch sichtlich von der Narkose mitgenommen, meldete sie sich nach ihrer Operation per Video und erklärte ihren Followern, was medizinisch bei ihr passiert ist, wobei sie bei manchen Wörtern Schwierigkeiten mit der Aussprache hatte.

Social Media statt Reha

Wo Erholung und Reha angesagt wäre, nutzt Shiffrin die Zeit, um ihre Social-Media-Kanäle professio­nell zu betreuen. Sogar kurz nach einer erkennbar anstrengenden OP.

Es zeigen sich die schrecklichen Zwänge, denen Athletinnen und Athleten gerade in solchen Sportarten ausgesetzt sind, in denen die Phase der Berühmtheit vergleichsweise kurz ist, in die aber derart viel investiert werden muss, dass für einen Plan B – der vielleicht außerhalb des Sports angesiedelt ist – gar kein Potenzial da ist.

Mikaela Shiffrin beißt sich derzeit so durch, wie sich auch ihr Verlobter, der Dauerverletzte Speedskifahrer Aleksander Kilde aus Norwegen, durchbeißt, und beide zusammen kämpfen darum, Stars in einer Branche zu bleiben, in der sie tragischerweise nicht mehr lange Stars sein werden.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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