Ringen um „Asylkompromiss“: Flüchtlingsstreit zerreißt die Grünen
Vor der Abstimmung zur neuen Asylgesetzgebung im Bundesrat am Freitag streiten die Grünen-Verbände im Norden um Ablehnung oder Zustimmung.
Damit bleibt unklar, wie Bremen am Freitag bei der Abstimmung über den sogenannten Asylkompromiss votiert: Ob es sich enthält, weil Rot und Grün verschiedene Positionen haben, oder ob auch Linnert und damit das Land dem Gesetz zustimmt.
Der Senat hatte ihr und Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) zuvor für die Abstimmung zwar freie Hand gelassen, sodass eine Enthaltung Bremens die Koalition nicht in Bedrängnis bringt: Die Landes-SPD aber begrüßt den Gesetzentwurf. „Man hat nur dann eine Verhandlungsmacht, wenn man einen Kompromiss mittragen kann“, findet Linnert. „Wir haben da eine wichtige Rolle gespielt.“
Linnert hatte in der Bund-Länder-Kommission am „Asylkompromiss“ mitgewirkt. „Unsere Delegation hat gut verhandelt“, stellte sie auf der MV klar. „Und ich möchte nicht, dass wir uns die Position erarbeiten, nie dabei zu sein.“
Dass sie sich mit einem Festhalten am Asylpaket ins Abseits stellen könnte, wurde ihr im Laufe des Abends deutlich gemacht. Der Parteivorstand, die Mehrheit der Parteibasis und auch sämtliche Fraktionsmitglieder traten als Gegner der Vereinbarung auf.
So lobte Landesvorstandssprecher Ralph Saxe zwar die Rolle der Senatorin in der Verhandlungskommission und erkannte an, dass der Bund sich bereit erklärt habe, die überforderten Länder und Kommunen finanziell zu entlasten. Doch unterm Strich sei „ein Asylrechtsverschärfungsgesetz“ herausgekommen, das die Grünen nicht mittragen könnten.
Als inakzeptabel brandmarkten die Gegner des Gesetzes vor allem die vorgesehene Erweiterung der Liste vermeintlich sicherer Herkunftsstaaten um Albanien, Kosovo und Montenegro. Die Befürworter verteidigten diese Einschränkung des Asylgrundrechts hingegen als hinnehmbar, weil sie ja faktisch nicht viel ändere.
Bei den Grünen überwog letztlich die Einschätzung, es mit einem Angriff auf das Grundrecht zu tun zu haben: Unerträglich sei, so Saxe, auf wen die Neuregelung abziele: „Das ist ein Gesetz gegen die Angehörigen von Sinti und Roma.“ Denen gegenüber aber habe Deutschland eine historische Verantwortung.
Während unklar bleibt, ob Linnert sich innerparteilich ausmanövriert, hat die Hamburger Vizebürgermeisterin Katharina Fegebank einen leichteren Stand: Der Landesausschuss der Hamburger Grünen gab ihr „freie Hand“ für die Verhandlungen und Abstimmungen im Bund. Die Zeichen stehen also auf Zustimmung, da Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) massiv für das Asylpaket eintritt. „Die Koalition wird einheitlich abstimmen und es wird wohl keine Enthaltung sein“, weist Regierungssprecher Jörg Schmoll den Weg.
Unsicher ist hingegen das Abstimmungsverhalten der rot-grünen Koalitionäre in Niedersachsen. „Das wird erst am Donnerstag entschieden, heute ist noch nichts klar“, sagte die grüne Landesvorsitzende Meta Janssen-Kucz der taz am Mittwoch. Es gebe ständig neue Signale aus Berlin, Textänderungen hier, Überarbeitungen dort. Vermutlich aber wird sich Niedersachsen bei der Abstimmung enthalten.
Auch in Schleswig-Holstein gtab es am Mittwoch noch keinen Klartext. Die grüne Landeschefin Ruth Kastner betonte gegenüber der taz, nach dem jetzigem Stand der Verhandlungen gehe die Tendenz in Richtung Zustimmung. „Aber wir befinden uns noch in einer sehr dynamischen Situation und müssen abwarten, welche Änderungen in den Ausschuss-Verhandlungen noch eingearbeitet werden“, sagte Kastner. „Die Ergebnisse kennen wir voraussichtlich erst am Donnerstagabend.“ Dabei sei es den Grünen vor allem wichtig, „dass erstmals Arbeitsmigration für Menschen vom Westbalkan möglich sein wird“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion