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Richtfest am „Estrel Tower“Ein Traum aus anderthalb Eiffeltürmen

An der mittleren Sonnenallee streckt sich Berlins einziger Wolkenkratzer in den Himmel. Beim Richtfest am Montag gab es dazu auch hochtrabende Worte.

Mit 175 Metern zumindest formell ein Wolkenkratzer: der Estrel Tower an der Sonnenallee Foto: C. Prößer

Alles strahlt: die Sonne gelb, der Himmel blau, die Gesichter der Bauherren vor Stolz und in Vorfreude auf satte Rendite: Beim Richtfest am Estrel Tower, Berlins erstem Wolkenkratzer, passt am Montagmittag alles.

Die Bauarbeiter, die den 175-Meter-Turm an der Sonnenallee aufgerichtet haben, tragen makellose Schutzwesten und haben ihre Helme geputzt, wirken aber etwas weniger euphorisch. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich die Zeremonie spürbar verzögert, denn Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) lässt auf sich warten. Immerhin schmurgeln im künftigen Parkhaus nebenan schon ein paar riesige Rinderkeulen unter den Warmhaltelampen.

Endlich geht es los, Giffey erscheint, strahlt am allerfröhlichsten und busselt den betagten Ekkehard Streletzki, Eigentümer und Namensgeber des Estrel-Hotels auf der anderen Straßenseite sowie des Towers. Sein Sohn Maxim spricht von Zukunft und davon, dass man mit dem verbauten Stahl anderthalb Eiffeltürme hätte errichten können. Von Corona, Krieg und Kostenexplosionen, die man gemeistert habe, von einem „smarten, nachhaltigen Energiekonzept“ und davon, dass das Gebäude ein „Produkt“ sei, wie es internationale Gäste erwarteten.

Dass der Tower mit seinen künftigen Hotel- und Büroräumen, Co-Working-Spaces und einer Bar an der Spitze schon im Rohzustand eine buchstäblich herausragende Erweiterung der flachen Berliner Skyline geworden ist, lässt sich nicht bestreiten. Kilometerweit ragt er hinter Straßenschluchten auf und markiert einen Ort mit bislang überschaubarer Strahlkraft. Und nicht nur das: Wie Martin Hikel (SPD) – der Wolkenkratzer unter Berlins BezirksbürgermeisterInnen – betont, kann man jetzt von überall in der Stadt „sehen, wo Neukölln ist, wo das Leben tobt“.

Ganz eigene Form des Lokalpatriotismus

Mit seiner ganz eigenen Form von Lokalpatriotismus betont Hikel, dass Neukölln eben „nicht nur die ersten 500 Meter Sonnenallee und ihre Konflikte“ sei. Ihn mache dieses „unglaubliche Gebäude“ stolz. Schon jetzt könne man erleben, dass es eine Sogwirkung entfalte, sagt er unter Verweis auf weitere Bauprojekte, die sich in den vergangenen Jahren hier am Neuköllner Schifffahrtskanal angesiedelt haben.

Franziska Giffey ruft „Wow“, spricht von „Träumen und Mut“ und schenkt Vater Streletzki einen Porzellanbären fürs Regal. Dann, endlich, ist der Oberpolier mit dem traditionellen Gedicht dran, das er ganz offensichtlich in Handarbeit und ohne Zuhilfenahme von ChatGPT gemauert hat („Dieses Gebäude ist ungewöhnlich / keinem anderen hier nur ähnlich.“) Ein Glas zerspringt, ein Kranz schwebt per Kran nach oben, eine Drohne folgt ihm und überträgt alles auf die Videoleinwand.

Dann schlägt den Rinderkeulen die Stunde. Am Dienstag wird weitergearbeitet. Mitte 2026 soll eröffnet werden.

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