Richard Strauss auf allen Bühnen: Dem Faschismus angeschmiegt
Richard Strauss' Opern stehen 2024 auf fast allen Spielplänen. Dabei bestand seine Kunst darin, sich mit faschistischen Machthabern zu arrangieren.
W ahrscheinlich war Richard Strauss nie aktueller als heute: Zur Rückkehr des Maskulinismus, zur wachsenden Feindseligkeit gegen eine Musik, die das Spektrum des Hörens über die Dur-Moll-Diatonik hinaus erweitert, passt wohl nichts besser, als die simulierte Moderne der Kunststücke des Tonsetzers aus Garmisch-Patenkirchen.
Vor allem die wirklich große, wenn auch eigentlich nicht bewundernswerte Kunst, sich mit faschistischen Machthabern zu arrangieren, ohne nach deren Untergang – Faschismus führt immer in den Untergang, er kann gar nicht anders – belangt zu werden, hat Richard Strauss beherrscht.
Insofern kann als angewandte Lebenshilfe durchgehen, dass die Staatsopern von Hamburg und von Braunschweig seit Herbst ebenso wie das Theater Bremen ab 2. Februar – natürlich total kritisch inszeniert und mit heutigem Zugriff! – die pompöse Klang- und Bühnensprache seines Musiktheaters reproduziert.
Deren Erfolgsrezept ist ihre entschiedene Anti-Intellektualität: Wenn bei Strauss jemand „Gott geschaut“ hat, dann müssen die Flöten nun mal nach oben steigen, so einfach ist das. Und wer es komplexer will, unaufgelöster, grautöniger, schwieriger, der ist halt ein Arsch und ein Volksfeind und muss weg, ohne lange zu fackeln.
Hass braucht kein Social-Media
Strauss war durchaus in der Lage, diesen populistischen Impuls auch in die Tat umzusetzen, etwa als es darum ging, gegen Thomas Mann zu hetzen: Gelesen hatte er ihn nicht, aber gegen dessen Richard Wagner-Essay einen Offenen Hassbrief unterschreiben, das konnte er schon.
Und es hat ja geklappt: Mann hat sofort verstanden, dass er mit Veröffentlichung dieses letter of contempt 1933 seines Lebens im Deutschen Reich nicht mehr sicher sein konnte. Er ist ausgewandert.
Was hätte Richard Strauss nicht alles mit dem Internet anfangen können, man mag es sich gar nicht ausdenken. Anlässe, ihn auf den Spielplan zu heben gibt es in diesem Jahr jedenfalls reichlich: Neben Geburts-und-Todestagsjubiläen jährt sich zum 90. Male seine Ernennung zum Reichsmusikkammerpräsidenten.
Auch wichtig: Vor genau 80 Jahren hat ihn Adolf Hitler persönlich auf die Gottbegnadetenliste der drei wichtigsten Musiker des nationalsozialistischen Deutschland gehoben. Und zwar auf Platz eins.
Kurioserweise würde kein Museum der Welt – derzeit noch jedenfalls – eine unkommentierte Arno Breker- oder Joseph Thorak-Ausstellung veranstalten, und auch das Georg-Kolbe-Museum hat längst kapiert, dass es eben nicht eine Einrichtung ist, um das Andenken an den Namensgeber rein- und hochzuhalten.
Im Norden nichts Neues
Kein Theater spielt mehr Hanns Johst. Selbst in Wilhelmshaven gibt’s keine Agnes-Miegel-Schule mehr und ihre Gedichte sind aus allen Lesebüchern getilgt. Das kontrastiert eigentümlich mit der völlig bedenkenlosen, nie gebrochenen Produktion von Strauss-Opern, die das Individuum laut Theodor W. Adorno „zum bloßen Rezeptionsorgan des Marktes, zum Nachbildner unverbindlich ausgewählter Ideen und Stile“ herabwürdigen.
Im Norden nichts Neues, könnte man also sagen. Das haben wir immer so gemacht. Warum sollte man gerade jetzt davon abrücken, massig Geld in die Pflege dieser servilen Mitmarschiermusik zu pumpen? Wenn's doch gefällt? Warum darüber jetzt auf einmal aufregen?
Eine raffinierte Termin-Idee
Aber Zeitenwende passiert nicht in den großen Ereignissen. Eher sind es fast übersehbare Zeichen, die darauf hinweisen, dass sich etwas verschiebt: Eines davon setzt das Theater Lübeck am 27. Januar, und ehrlich, auf diese raffinierte Termin-Idee muss man erst einmal kommen: Das ist ja, wir erinnern uns, der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
In Lübeck nun begeht man ihn mit der Premiere von „Elektra“. Das ist die Oper, mit der der wichtigste Komponist des nationalsozialistischen Reichs erst Deutschland und dann die ganze Welt erobert hat.
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