Richard Rother über den neuen Bundesverkehrswegeplan: Beton allein reicht nicht
Und jetzt die Staus . . .“ Wer tagsüber an einem Werktag einen überregionalen Radiosender hört, kann sich bei den Staumeldungen geografisch weiterbilden. Stillstand und stockenden Verkehr gibt es meist in den wirtschaftsstarken Ballungszentren der alten Bundesrepublik: im Raum Hamburg, im Ruhrgebiet, im Rhein-Main-Gebiet, in den Großräumen Stuttgart und München. Ein Ziel des neuen Bundesverkehrswegeplans ist, durch Sanierung und Ausbau solche Staustrecken zu entlasten. Das ist gut und schlecht zugleich.
Gut ist, dass der Bund im Bereich der Straße wegkommen will vom alten föderalen Prinzip, das Geld gleichmäßig über die Landschaft zu verteilen, damit alle zufrieden sind, unabhängig vom Nutzen. Nachdem jahrelang das marode und unzureichende Netz in Ostdeutschland Priorität hatte, soll nun das Geld dorthin fließen, wo es gebraucht wird – in die alten Länder. Auch dem Vorsatz, dass Sanierung wichtiger als Neubau sei, wird stärker Rechnung getragen als in der Vergangenheit. Beides ist sinnvoll, denn das derzeitige Wirtschafts- und Konsummodell, das auf Flexibilisierung und Individualität setzt, ist – leider – ohne leistungsfähige Autobahnen nicht denkbar. Auch Nichtautofahrer verursachen viel Fahrzeugverkehr.
Schlecht an dem neuen Bundesverkehrswegeplan ist, dass er gar nicht erst versucht, den Druck auf die Autobahnen zu lindern . Etwa durch massive Förderung von Alternativen: die Bahn, das Schiff oder neue Konzepte der Verkehrsvermeidung. Vor allem im Personenverkehr ergäben sich hier gute Perspektiven: Warum sollte eine Familie, statt für einen Verwandtenbesuch Hunderte Kilometer mit dem eigenen Dieselwagen über die Autobahn zu brettern, nicht auch mit Zügen, deren Anschlüsse bestens aufeinander abgestimmt sind, sowie einem geliehenen Auto mit Elektroantrieb ebenso günstig ans Ziel kommen? So nötig manche Investitionen in Beton sind: Sie reichen nicht, wenn ein ökologisches Gesamtkonzept fehlt.
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