Bauen, was das Zeug hält

Mobilität Der Bundesverkehrsminister will mehr als 260 Milliarden Euro in die Verkehrswege investieren. Umweltschützer kritisieren vor allem die Straßenbaupläne

Im Osten was Neues: Brücke für die B90n in Thüringen Foto: Michael Reichel/dpa

Von Richard Rother

BERLIN taz | Das gemeine Schönreden von Investitionen oder Kosten geht so: Sollen die Summen groß erscheinen, wird ein möglichst langer Zeitraum gewählt; sollen sie klein erscheinen, ein möglichst kurzer. Ein Beispiel für Letzteres ist Werbung für eine überflüssige Versicherung, die „nur“ ein Euro pro Tag koste – was immerhin 365 Euro pro Jahr für nix und wieder nix sind. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat jetzt die andere Methode gewählt: 264,5 Milliarden Euro sollen bis 2030 in die deutsche Transportinfrastruktur investiert werden. So sieht es der neue Bundesverkehrswegeplan vor.

Laut Dobrindt wird dabei das Prinzip „Erhalt vor Neubau“ gelten. 69 Prozent des Geldes sind für den Erhalt von vorhandenen Verkehrsstrecken vorgesehen. Es sollen vor allem „Hauptachsen und Knoten“ im Verkehrsnetz gestärkt werden. Engpässe mit einer Gesamtlänge von 1.700 Kilometern auf Autobahnen und 700 Kilometern auf der Schiene würden beseitigt. Insgesamt enthält der Plan rund 1.000 Einzelprojekte. Von den 264,5 Milliarden Euro Gesamtsumme entfallen rund 49 Prozent auf die Straße, 41 Prozent auf die Schiene und 9 Prozent auf Wasserstraßen.

Gebaut wird aber – auch wenn der Plan jetzt vorliegt – noch lange nicht. Zunächst ist eine sechswöchige Öffentlichkeitsbeteiligung geplant, bei der jeder Bürger online Stellung beziehen kann, zum ersten Mal übrigens. Anschließend soll der Entwurf überarbeitet und im Bundeskabinett beschlossen werden. Und auch dann kann noch nicht mit dem Bau begonnen werden, weil die konkrete Finanzierung und Durchführung der Maßnahmen von den jeweiligen Haushaltsbeschlüssen abhängen. Wie auch in der Vergangenheit dürfte ein Teil der Projekte nicht oder nur verspätet umgesetzt werden.

Innerhalb der Bundesregierung sorgte Dobrindt für Verstimmung. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) fühlt sich übergangen. Es gebe einen „Dissens“: Dobrindt habe den Plan vorgestellt und die Öffentlichkeitsbeteiligung gestartet, obwohl das Konzept bislang nicht innerhalb der Regierung abgestimmt sei, sagte ein Sprecher.

Hendricks Parteikollege Sören Bartol, Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, lobte Dobrindts Entwurf allerdings als „ehrlich, realistisch und klug“. Es werde künftig nicht mehr nach Himmelsrichtungen, sondern nach dem realen Bedarf gebaut. „Es wird kein Bauen nach Proporz mehr geben.“ Investiert werde dort, wo die Leute tagtäglich im Stau stünden. Vor allem Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen würden davon profitieren.

Das meiste Geld fließt in den Straßenbau

Die Grünen kritisierten Dobrindts Plan. Es handele sich um „eine Wühlkiste mit viel zu vielen Projekten“, für die das eingeplante Geld nicht reichen werde, erklärte die Grünen-Verkehrspolitikerin Valerie Wilms. Außerdem sei die sechswöchige Frist für die Öffentlichkeitsbeteiligung zu kurz. Die Grünen wollten die Bürger daher auf Regionalkonferenzen über Möglichkeiten der Einflussnahme informieren.

Der Verkehrsexperte der Umweltorganisation BUND, Werner Reh, sagte, die Vorlage sei eine neue Wunschliste mit politisch motivierten Neu- und Ausbauprojekten. „Die Stimulierung des Wachstums des Straßenverkehrs verhindert das Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehr.“ Der Flächenverbrauch werde weiter angekurbelt.

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