Richard Rother über den Niedergang des Diesels: Die Gewerkschaft gibt Gas
Wenn sich die größte Einzelgewerkschaft der Welt einschaltet, muss die Lage ernst sein. Weil immer weniger Kunden, insbesondere Großkunden, Dieselautos bestellen, sieht die IG Metall die Jobs vieler ihrer Mitglieder gefährdet. Und: Die Bundesregierung müsse dringend Übergangslösungen schaffen, damit sich die Gesamtsituation in den Regionen und Betrieben nicht weiter aufheizt. So weit, so richtig. Aber bei dieser Herangehensweise geraten die Leidtragenden der Situation, die Anwohner viel befahrener Straßen, und die Verantwortlichen, Manager in den Autokonzernen, aus dem Blick. Und das sollte nicht sein.
Denn die drohenden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, die die Branche und ihre Beschäftigten belasten, stehen nicht im Raum, weil die Autos so umweltfreundlich sind wie auf den Verkaufsprospekten angezeigt, sondern weil die Belastung der Städte mit Luftschadstoffen kontinuierlich zugenommen hat – obwohl die Fahrzeuge auf dem Papier immer sauberer wurden. Ursache dafür waren Betrügereien und legale Tricks, mit denen die Autokonzerne die Abgaswerte ihrer Fahrzeuge bei offiziellen Tests manipulierten – während bei normaler Fahrt die ganze Ladung Dreck hinten herausgepustet wird, um Kosten zu sparen und mehr Leistung aus dem Motor zu holen.
Das Ganze geschah unter aktivem Wegschauen der Politik und der Behörden in Europa; nur die USA machten bei Kontrollen Ernst (vermutlich auch, um der erfolgreichen Konkurrenz aus Deutschland mit ihrem verhassten Diesel eins auszuwischen). Deshalb hat die IG Metall aber auch recht, wenn sie jetzt Übergangslösungen fordert. Diese sollten erstens die Luft sauberer machen, zweitens die Kunden schützen und drittens die Arbeitsplätze in der Industrie vorläufig sichern. Fahrverbote jedenfalls wären eine faktische Enteignung von Verbrauchern, die nichts dafür können, dass die Politik bei der Durchsetzung der Umweltauflagen versagt hat.
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